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Lanzarote

Lanzarote

Titel: Lanzarote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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mächtiger Riss, mehrere Dutzend Meter breit, der sich im Zickzack über die Erdkruste schlängelte, soweit das Auge reichte. Absolute Stille. So, dachte ich, muss es nach dem Weltuntergang aussehen.
        Später würde das Leben vielleicht auferstehen. Wind und Meer würden die Felsen zermahlen, zu Staub und Sand; nach und nach würde sich Erde bilden. Dann würden Pfanzen sprießen – und später, sehr viel später, würden Tiere kommen. Jetzt aber war hier nichts als Felsen – und eine Straße, gebaut von Menschenhand. Im Wagen erklärte mir Rudi, warum die Azraelisten hier auf dieser Insel waren. Um die Residenz zu errichten, die die Außerdischen aufnehmen sollte, hatte Phi lippe Leboeuf erst an die Schweiz oder die Bahamas gedacht – natürlich vor allem aus steuerlichen Gründen. Ein zufälliger Urlaub auf Lanzarote hatte ihn umgestimmt. Die erste Begeg nung hatte im trockenen Sinai stattgefunden, die zweite in einem erloschenen Krater des Puy de Dôme. Die dritte musste sich einfach hier ereignen, inmitten der Vulkane, im Land der Atlantiden.
        Ich grübelte ein wenig über diese Dinge nach. In der Tat, sollten die Außerirdischen eines Tages auftauchen, dann wäre das hier die ideale Szenerie für eine Reportage auf CNN; trotz dem, so ganz daran glauben konnte ich nicht.
       Als die Sonne unterging, erreichten wir Geria, ein enges Tal, das zwischen dunkelvioletten bis schwarzen Stein- und Geröll
    hängen verläuft. Im Laufe der Jahrhunderte haben die Insel bewohner die Steine aufgesammelt, halbkreisförmige Mäuer chen gebaut und auf deren Innenseite kleine Vertiefungen an gelegt. In jede dieser Vertiefungen haben sie sodann windge schützt eine Weinrebe gepfanzt. Der vulkanische Kies ist ein hervorragender Boden, die Besonnung ist kräftig; die Trauben, die hier gelesen werden, ergeben einen sehr wohlduftenden Muskatwein. Die Beharrlichkeit, die diese Arbeiten erforder ten, war beeindruckend. Lanzarotes Entstehungsgeschichte ist eine geologische Totalkatastrophe; aber hier, in diesem Tal, auf ein paar Kilometern, hatten wir es mit einer abstrakten, vom Menschen zu seinem Nutzen geformten Natur zu tun.
        Ich schlug Rudi vor, den Anblick zu fotograferen, aber nein, es schien ihn nicht zu interessieren. Übrigens schien ihn gar nichts zu interessieren, irgendwie sah er aus, als wäre ihm eine Laus über die Leber gelaufen. Immerhin war er einverstanden, dass wir zu einer Weinprobe anhielten.
    „Morgen könnten wir die beiden Deutschen fragen, ob sie uns begleiten wollen«, meinte ich, das Weinglas in der Hand. „Welche Deutschen?« »Pam und Barbara.«
        Er kräuselte nachdenklich die Stirn; ganz offensichtlich erin nerte er sich nicht deutlich an sie.
        »Warum nicht ...«, sagte er schließlich. »Aber sind das nicht Lesben?« fragte er nach einiger Zeit.
    „Und wenn?« fragte ich übermütig. »Lesben sind doch nett. Na ja, manchmal sind sie nett.« Er zuckte mit den Schultern, es schien ihm vollständig schnuppe zu sein.
    Als wir ins Hotel zurückkamen, war es dunkel. Rudi ging so fort ins Bett; er hatte keinen Hunger, sagte er. Er entschuldigte sich, es tat ihm leid, er war wohl einfach ein bisschen müde, nicht wahr. Also ging ich allein ins Restaurant, auf der Suche nach Pam und Barbara.

- 7

    W ie ich es vorausgesehen hatte, waren sie voll Begeisterung bei der Sache; aber sie hatten eine genaue Vorstellung, wie der Tag aussehen sollte. Sie wollten vor allem zum Papagayo, einem FKK-Strand. Deutsche Frauen, erklärte ich Rudi am nächsten Morgen, muss man nehmen, wie sie sind; aber wenn man sich ihren kleinen Launen beugt, lohnt sich das meist, eigentlich sind es nette Mädchen. Aber ich bestand auf einem Abstecher zu einer Bucht, El Golfo, dort ragt ein schartiger Felsen aus dem Meer, alle möglichen wunderlichen Farben, kurz, es ist sehr schön. Es war dann auch allen recht, und Rudi, jetzt wieder guter Laune, machte gut dreißig Fotos. In einer Bar an der Playa Blanca aßen wir zu Mittag, Tapas und Weiß wein. Pam war ein bisschen erhitzt und wurde vertraulicher. Ja, sie waren lesbisch; aber nicht ausschließlich. He he, dachte ich. Dann wollte sie wissen, ob wir schwul seien. »Äh ... nein«, sagte ich. Rudi, der mit dem Rest Tintenfsch kämpfte und gerade den letzten mit einem Zahnslocher aufspießte, blickte hoch und antwortete zerstreut: » Nein, ich auch nicht... soweit ich weiß«.
    Nach der Playa Blanca fuhren wir rund zehn Minuten auf der Küstenstraße

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