Lanzarote
unmenschlicher und grausamer ist sie (...) Ein einziger Gott! (...) Wieviel tiefsinniger, menschlicher und weiser unsere ägyptische Religion war.“
Die westliche Moderne entfesselt einen zweiten Bildersturm
Gewiss, die Romane von Handke und Houellebecq sind durch Welten
getrennt. Zwischen ihnen liegen Kontinente der Sprache und Schreibweisen, von den erzählten Geschichten ganz zu schweigen. Handkes Roman Der Bildverlust handelt davon, wie sich eine „Bankkauffrau“ einen Autor „kauft“, damit er ihre Erfahrungen aufschreibt und in Sprache verwandelt (ZEIT Nr. 5/02). In Houellebecqs Plattform (ZEIT Nr. 7/ 02) huscht mit „echsenhafter Lethargie“ ein Kulturbürokrat über die Szene, dessen Freundin als Managerin in der Sextourismusindustrie arbeitet („Anders reisen“). Wie Konsumwaren, so sollen lustbereite Körper nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage getauscht werden, frei nach dem Motto: Die schönen Frauen der Dritten Welt bereiten den Europäern ein Lüstchen für den Tag und eines für die Nacht. Der Laden läuft - bis am Ende islamistische Terroristen das perverse Idyll von Eldorado Aphrodite in die Luft jagen.
Und doch - der Schein trügt. So unvereinbar die ästhetischen Strategien der beiden Romane auch sind, so sehr ähneln sie sich in der Kritik unserer Gegenwart. Beide „berichten“ über eine „Zwischen-“ (Handke) beziehungsweise eine „Übergangszeit“ (Houellebecq); beide führen einen literarischen Prozess gegen die westliche Welt, deren imaginative Leere sie als unmittelbare Folge des religiösen Bilderverbots beschreiben. Denn beide behaupten, der globalisierte Kapitalismus sei nicht nur eine Wirtschaftsweise, sondern eine geschlossene symbolische Ordnung - und damit selbst eine Art Hochreligion. Revolutionär an dieser Ordnung sei nicht allein der säkulare Sieg der Ökonomie; revolutionär sei die Macht westlicher Bilder und westlicher Kultur, die „Ausweitung der Kampfzone“ nach innen, auf die Sprache der Menschen. Wie ein riesiges Löschpapier sauge der Kapitalismus die letzten traditionellen Kulturen auf, um die eroberten Provinzen mit Sextouristen und Menschenrechtlern, TV-Sendern und UN-Soldaten zu besetzen, gewissermaßen als Zurüstung für die eigene Unsterblichkeit.
Bei Handke ist das eine vertraute Melodie. Er verdächtigt die Vereinigten
Staaten, Hand in Hand mit ihren europäischen Vasallen einen Universalstaat zu errichten, vorneweg US-Army und Nato, im Schlepptau CNN und Hollywood. Doch die neuen Missionare exportierten nicht nur ihr Wirtschaftssystem, sondern auch ein Evangelium aus „Wissen und Information“. Dieser symbolische Kapitalismus funktioniere wie seine Ökonomie nach dem Prinzip von Einschluss und Ausschluss. Zuerst schließt er die vorgefundenen lokalen und traditionellen Bedeutungen aus und ersetzt sie durch die Sprache des Geldes. Deshalb ist der politische Westen für Handke eine landnehmende, mit seinen kulturellen Symbolen aber eine namensgebende Macht. Ein Empire, das alle anderen zwingt, ihr Leben durch das westliche Sprachauge zu betrachten. Doch dieses Auge ist kalt.
Genauso liest man es bei Houellebecq. Auch bei ihm ist das Jahr 1989, der Untergang der Sowjetunion, ein Elementarereignis, das den westlichen Meridian ein letztes Mal gen Osten verschiebt. Der Westen umschließt die ganze Welt, von Kapstadt bis Wladiwostok, und nun fallen die alten Sprachnationen - oder wie Handke sagen würde: die „Völker“ - in die Hände der westlichen Bilderstürmer. Auf dem Weltmarkt beginnt ein Todesrennen um die besten Plätze, ein „ewiger Kampf, der niemals zu Ende gehen kann“. Es herrscht Krieg, im Großen wie im Kleinen. Nachdem alle Sinnschichten abgekratzt wurden, treffen sich Houellebecqs Kultur(!)-Angestellte in der Pariser „Bar-Bar“, um reinen Sex, den letzten Signifkanten, aus dem Körper des „Partners“ zu peitschen. Das nackte Leben - das ist alles, was von den abendländischen Weltdeutungen übrig blieb. „Wenn es nicht ab und zu ein wenig Sex gebe, woraus würde dann das Leben bestehen?“
Der siegreiche Kapitalismus gleicht einer säkularen Hochreligion
Handke wie Houellebecq werden nicht müde, das symbolische Elend
der Gegenwart, ihre imaginative Leere, auszumalen - pathetisch der eine, parodistisch der andere. Beide sind davon überzeugt, das Leben könne nur gelingen, wenn jeder in seiner Welt Metaphern und Erzählungen vorfndet, in deren Licht er sein Dasein zu interpretieren vermag. Genau diese
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