Lanzarote
das. Es mildert die Sorgen. Je mehr Sex man hat, desto mehr Lust hat man darauf. Ich kenne Zeiten ohne jegliche sexuelle Aktivität und Zeiten mit sehr glücklichem Liebesleben. Erotische Zufriedenheit hat ähnliche Wirkung wie Morphium. Aber an Morphium gewöhnt man sich, an Sex nicht.
Im Konzept deiner glücklichen Welt ist alles gut, was Leid lindert und die Todesängste vertreibt.
Und die Angst vorm Altern. Wenn man älter wird, denkt man immer häufger daran, was dem Tod vorausgehen wird. Man muss sich von vielen Dingen verabschieden. Es macht wirklich Angst, zu wissen, dass man vieles nicht mehr wird machen können.
Zum Beispiel keinen Sex mehr.
Ja, das ist hart. Erstens will dich niemand mehr, und zweitens wirst du es irgendwann gar nicht mehr können. Sex wird man irgendwann einfach aufgeben müssen. Dann bleibt nur noch Morphium. So ist das. Leben istLeiden.
Würdest du den Tod eher akzeptieren, wenn ihm nicht Alter und Krankheit vorausgingen, wenn man bei bester Gesundheit einfach stürbe?
Ich würde ihn noch weniger akzeptieren, denn das wäre ja ein übergangsloser Abbruch. Man muss den Tod abschaffen.
Das Gespräch führte Susanne Steines
Michel Houellebecq: Suche nach Glück. Gedichte; Französisch-Deutsch; übertragen von Hinrich Schmidt-Henkel; DuMont Verlag, Köln 2000; 189 S., 32,- DM
erschienen in: Die Zeit 39/2000
Macht Euch die Erde untertan
Nach dem Streit um Walser: Warum Schriftsteller die monotheistischen Religionen für die Sinnkrise verantwortlich machen. Ein zweiter Blick auf die Romane von Peter Handke und Michel Houellebecq
Von Thomas Assheuer
Die Kontroverse um den neuen Roman von Martin Walser Tod eines Kritikers hat, ganz nebenbei, den Blick auf einen Streit gelenkt, der den Unterstrom zu vielen intellektuellen Auseinandersetzungen der Gegenwart bildet: auf den Streit über den Stellenwert des jüdisch-christlichen Erbes. Diese Auseinandersetzung mit dem Monotheismus löst zunehmend kulturkritische Refexe aus - mal gegen die „Weltherrschaft“ amerikanischer Lebensformen, mal gegen Globalisierung überhaupt gerichtet. Doch warum werden, auf den ersten Blick durchaus unverständlich, monotheistische Religionen für den Zustand der Weltgesellschaft verantwortlich gemacht? Was wird ihnen zur Last gelegt?
Walser, dessen Roman Tod eines Kritikers (Suhrkamp Verlag) ein obszönes Spiel mit antisemitischen Stereotypen treibt, macht keinen Hehl aus seiner Überzeugung, dass die jüdisch-christliche Tradition die Hauptschuld an der modernen Sinnkrise trägt. Im Schlusskapitel seines Buches wird der Erzähler von einem nietzscheanischen Albtraum heimgesucht: Was vor 2000 Jahren als mosaischer Ruf nach Gerechtigkeit begann, werde als Nihilismus einer TV-Kultur enden. Und so ruhen die Hoffnungen des Erzählers auf einer „Saturnistin“, die ihn von der „christlichen Finsternis“ erlösen soll. „Saturn ist die Zeit vor der Zeit. Und nach ihr. Die absolute Anti-Utopie. (...) Hans Lach ist der gequälte Christ (...). Ehrl-König war die Operettenversion des jüdisch- christlichen Abendlandes.“
Auch Handkes Roman Der Bildverlust (Suhrkamp Verlag) richtet in einer Schlüsselpassage den Blick auf den christlich-jüdischen Monotheismus und unterzieht ihn einer, im Vergleich zu Walser, beinahe einfühlenden Kritik. Handkes bekehrter „Beobachter“ träumt von einer Epoche, in der sich die Zeit selbst verwandelt - aber nicht als Rückgriff hinter die Religion, sondern durch diese hindurch. „Wieder wie vor der Geschichte als Historie, Kinder der Zeit, des Gottes Kronos, (...) das sei die Verheißung, welcher jeder einzelne (...) nachzuleben versuche als einer ungeplant allgemeinen Religion.“ In diesem Traum verschmelzen „Offenbarung“ und messianische „Verheißung“. „Was für die Juden der weiterhin verheißene Erlöser ist (...), das ist, wenn auch grundanders und vor allem anders gerichtet, als Verheißung die Zeit.“
In der Diagnose kaum anders, wenngleich weniger subtil, liest man es bei dem französischen Autor Michel Houellebecq. Auch sein Roman Plattform (DuMont Verlag) klagt die monotheistischen Religionen an, weniger den Katholizismus, dafür umso mehr den Islam. Der Glaube an den „Einen Gott“ habe einen Bildersturz ausgelöst und eine große Leere über die Welt gebracht. Was in der Wüste geboren wurde, hat die Erde zur Wüste gemacht. Einen Ägypter lässt Houellebecq sagen: „Je mehr sich eine Religion dem Monotheismus nähert, um so
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