Lanzarote
wenn man sie von ihren Launen befreite. Wahrscheinlich würden sie reine Schönheit produzieren.
Würde mit der körperlichen Unsterblichkeit des Menschen auch seine Lust am Töten verschwinden?
Die Lust am Töten ist ein hormonelles Problem. Es ist beim Mann viel größer ist als bei der Frau. Aber dafür könnte man chemische Lösungen fnden. Alles, wodurch Leiden ausgemerzt wird, ist gut. Morphium ist gut.
Ist das nicht das gleiche Ziel, das die Gesellschaft des Supermarkts und ihre Werbung anvisieren?
Die Werbung hat das Ziel, Bedürfnisse zu steigern. Es gibt einen Begriff in den Büros für Marketingstrategien: die Enttäuschung nach dem Kauf. Die Leute sollen kaufen, aber sie sollen auch enttäuscht sein von ihrem Kauf. Wenn sie nicht enttäuscht sind, werden sie nichts Weiteres kaufen. So funktioniert die Pornoindustrie.
Die Pornografe ist ein anderes Genre. Sie ist ein System ständiger Enttäuschung. Ihr Ziel ist es, Gewöhnung zu erzeugen, damit die Leute immer neue Pornos konsumieren. Sie will begehrenswerter sein als die wirkliche Welt.
In einigen Gedichten schreibst du über den Ekel des Pornobetrachters.
Die Begierde an sich ist ekelhaft. Es ist ein kleiner Moment von Erregung, der dem Vergnügen vorausgehen soll. Wenn man befriedigt ist, begehrt man nicht. Deshalb schaffen Werbung und Porno die Legende, dass man nie wirklich befriedigt sein könne.
Was ist die Hölle?
Wenn die Begierde zu einem Durst wird, der niemals gestillt werden kann.
Sucht?
Nein, Sucht an sich ist angenehm. Man hat immer seine kleine Befriedigung. Aber per Porno gibt es niemals wirklich Befriedigung. Man kann ohne Sucht gar nicht leben. Jedes gemeinsame Leben mit einer geliebten Person ist eine Art von Sucht. Das ist gut so, denn es beruht auf Befriedigung. Für die sexuelle Befriedigung braucht man jemand anderen, zumindest ein wenig Sympathie. Es gibt aber auch Leute, die nur dann Vergnügen empfnden können, wenn sie völlige Verachtung für das Objekt ihres Vergnügens empfnden.
Es tauchen immer mehr sadomasochistische Motive in der Werbung auf, in der Pornografe sowieso.
Das sadistische System ist in Mode, also macht die Werbung es sich zunutze.
Woher kommt der Sadismus?
Eine Frage von Hormonen. Es wäre sehr einfach, auch den Kannibalismus in Mode zu bringen. Das Leben ist von Natur aus grausam.
Würde der Sadismus an Attraktivität verlieren, wenn er kein Tabu mehr wäre?
Selbstverständlich. Aber es gibt genügend andere Tabus.
Woher kommt die Lust am Tabubruch?
In diesem Fall ist es bloß kommerziell. Die Werbeleute sehen es und sagen: Das lässt sich ausschlachten.
Man kann den Geschmack von Freiheit mitverkaufen.
Das verkauft sich immer gut. Eine kleine Erregung. Es würde auch mit dem Kannibalismus funktionieren. Aber die Werbung hat nicht mehr Moral als der Kapitalismus im Allgemeinen. Auch der Papst würde in der Werbung funktionieren. Allerdings ist der Vatikan ein System, das an Energie und Geschwindigkeit verliert. Doch wen interessiert der Vatikan? Reden wir von was anderem.
Man muss nicht alles sagen.
Ich kann alles sagen, ich bin in Mode. Es gibt allerdings Dinge, die würde ich nie sagen. Es wird immer noch ein Rest Intimität verbleiben. Man muss keine Angst haben, auch über intime Dinge zu reden. Denn es wird immer noch etwas übrig bleiben, das man gestehen könnte.
Hast du keine Angst, dich auszuliefern?
Nein. Ein Beispiel sind diese Fragen nach meinem Sexualleben, denn darum geht es ja mehr oder weniger immer. Wenn man mich fragt, ob ich mit meiner Frau in Swinger-Clubs gehe, antworte ich: Ja, und? Eine amerikanische Journalistin wollte unbedingt wissen, wie das so ist in Swinger-Clubs. Wir sind dann zusammen reingegangen, aber sie wollte nur zuschauen, nicht mitmachen.
Wie kommt der Poet Houellebecq, der am Verlust einer großen Liebe leidet und sie in seinen Gedichten besingt, in den Swinger-Club?
Man muss Kompromisse machen. Die erotische Liebe tut einfach gut. Leiden ist nicht gut. Ich mische einfach ein bisschen. Alles was ruhig macht, ist gut.
Du hast die deutsche Frühromantik deine Lieblingsepoche der Literatur genannt.
Die Romantik ist die erste Bewegung, die ein paradiesisches Universum ersonnen hat, in dem ewig alles gut geht. Sie leugnet den Tod mithilfe des christlichen Glaubens an seelische Wiedergeburt. Das können wir heute nicht mehr. Der Tod ist nicht gut. Der Tod ist nicht angenehm. Der Tod ist immer gegenwärtig. Die Menschen sind zu Beginn
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