Lanze und Rose
auf ihn zu und zwang ihn zum Ausweichen. Er rannte den Abhang hinunter. Ein Musketenschuss erschallte. Der Schrei ließ ihn herumfahren, und er erstarrte.
»Ranald! Herrgott!«
Auf der Suche nach seinem Vater drehte er den Kopf. Dann erblickte er ihn. Bleich unter dem Blut, das sein Gesicht bedeckte, stand er reglos inmitten der Kämpfenden, den Blick auf… seinen Bruder geheftet, der sich den Bauch hielt. Die andere Hand erschlaffte und ließ das Schwert fahren, das schwer zu seinen Füßen niederfiel.
»Neiiin! Ran, verflucht und verdammt!«
Panisch rannte Duncan den Abhang wieder hinauf. Der entsetzte Schrei, den er ausstieß, brannte ihm in der Kehle. Ranald fiel auf die Knie und sah ihn.
»Neiiin! Halte aus, Ran!«
Sein Vater stürmte aus einer anderen Richtung heran. Er parierte einen Hieb, spießte einen Sassanach auf und lief weiter zwischen den Kriegern hindurch, die vor der hannoveranischen Kavallerie flüchteten. Ranald lächelte. Sein verflixtes Lächeln! Der Dragoner, der Duncan verfolgte, bemerkte seinen Bruder und wendete sein Reittier, um sich ein leichteres Ziel vorzunehmen. Jetzt hielt er auf Ranald zu. Das Pferd… Das war nicht gerecht! Niemals würde er so schnell laufen können wie das Tier, damit er seinen Bruder vor dem Soldaten erreichte.
»Neiiin!«, hörte er sich vor neuem schreien.
Die Klinge des Soldaten hob sich. Sein Vater stieß ein herzzerreißendes Gebrüll aus. Die Klinge fuhr herunter, durchschnitt die Luft und drang in Ranalds Körper ein…
»Herrgott! Nein, lieber Gott, nicht er …«
Duncan stieß einen entsetzlichen Schrei aus. Ein bisher nie gekannter Zorn bemächtigte sich seines Körpers und seines Geistes. Er war nicht mehr Herr seiner selbst, der Teufel wohnte in ihm.
»Fraoch Eilean! «
Der Dragoner drehte sich im Sattel um, sah ihn und wendete sein Pferd. Doch Duncan war bereits bei ihm. Er hielt das Tier am Zaum fest und wich der Klinge aus, die rot vom Blut seines Bruders war, aber nicht schnell genug. Ein scharfes Brennen breitete sich über sein Gesicht aus. Er war getroffen … Keine Zeit zum Nachdenken. Mit einer knappen, präzisen Bewegung senkte er den Dolch in den Hals des Tieres, um es zum Halten zu zwingen. Mit einer weiteren, brüsken Bewegung vergrößerte er den Schnitt. Das Pferd wieherte. Duncan riss die Waffe zurück und stieß sie in den Schenkel des Dragoners, der jetzt ebenfalls aufheulte.
»Bluten sollst du, Hurensohn!«
Er zog seine klebrige Klinge zurück. Auf der weißen Hose des Soldaten breitete sich ein roter Fleck aus und wurde immer größer. Das Pferd brach mit den Vorderbeinen ein, und erneut hörte er das Schwert des Dragoners heransausen. Mit einem Mal spürte Duncan einen scharfen Schmerz in der Leiste. Er war ein zweites Mal verletzt worden. In einem kurzen, klaren Moment fragte er sich, wo die Klinge getroffen haben mochte. Genau zwischen die Beine? Nicht dort! , dachte er erschrocken. Was wird Marion sagen? Ich habe noch nicht ein Mal bei ihr gelegen! Der völlig unpassende Gedanke ließ ihn beinahe schmunzeln. Schwachkopf, wenn du krepierst, wirst du sie nie wiedersehen!
Der Dragoner aus Argyle schwang sein Schwert. Leeren Blickes sah Duncan einen Moment lang die scharfe Schneide über sich schweben. Dann riss er mit aller Kraft, die noch in ihm wohnte, seine Klinge hoch, hieb wutentbrannt auf den Mann ein und schrie dazu wie eine verdammte Seele. Kurz erhaschte er einen Blick auf das vor Bestürzung verzerrte Gesicht des Dragoners und schloss dann die Augen.
»Rache! Für meinen Bruder, du Hund von einem Sassanach !«
Das Pferd schwankte und schnaubte schwach. Duncan hielt sich daran fest. Etwas Heißes rann über seinen Hals und auf seine Brust. Sein Hemd war dunkelrot. War es sein eigenes Blut? Hatte dieser Bastard noch einmal zugeschlagen? In seinen Ohren dröhnte und hämmerte es. Er konnte nicht mehr denken. Mühsam sah er zu dem Soldaten auf, der immer noch das
Schwert in der einen und die Zügel in der anderen Hand hielt. Sein Blut spritzte hervor wie ein Geysir, in Stößen, und strömte über den mit Tressen und goldenen Knöpfen geschmückten Uniformrock, an dem er sich festhielt. Aber wo war sein Kopf geblieben ?
Das Pferd kippte zur Seite. Duncan verlor das Gleichgewicht und klammerte sich an die Leiche des Soldaten, der aus dem Sattel glitt und ihn im Fallen mitriss. Ein Stein bohrte sich in seinen Rücken und ein anderer in seine Schulter. Er schrie. Ein entsetzlicher Schmerz durchfuhr ihn, als er
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