Lanze und Rose
spürte, wie sein Becken unter einem gewaltigen Gewicht zermalmt wurde. Wie schwer diese Sassanachs sein konnten! Er wandte den Kopf. Das Pferd war über ihm zusammengebrochen, und er lag unter seinen Körper eingeklemmt.
Der Schmerz war unerträglich. Und dieser Geruch … der Gestank des Todes klebte an ihm und umschwebte ihm. Dann, plötzlich, sah er wieder Ranald vor sich… Sein Lächeln. Die Klinge des Dragoners, die sich hob. Wieder hörte er den Schrei seines Vaters, wie ein Echo in seinem Kopf, der zu bersten drohte. Dieser Schmerz … Starb er jetzt? Nein, er wollte nicht. Nicht, ohne noch einmal Marions Augen gesehen zu haben. Die Lider wurden ihm schwer. Er stöhnte, kämpfte nicht dagegen an.
Jetzt sah er sie in Gedanken vor sich, Marions Augen. Wie sehr er sich wünschte, diese Frau zu berühren! Er streckte den Arm aus, und seine Hand streifte etwas Seidiges. Er wandte den Kopf und zog eine Grimasse. Sein Gesicht schien in Flammen zu stehen. Was war das da zwischen seinen Fingern? Er bewegte sie. Haar … Marions Haar! Seine Augen wollten sich nicht öffnen lassen, sein Körper reagierte nicht auf seine Anweisungen. Es war so schrecklich kalt! Merkwürdig, dass ihm das zuvor nicht aufgefallen war.
Ein krampfartiges Zittern ergriff ihn. Tränen rannen über seine Wangen und brannten in seiner Wunde. Oh nein, Ran! Hatte er das geträumt? War das alles nur ein furchtbarer Albtraum? Von neuem bewegte er die Finger. So seidig war das Haar nun doch nicht. Eigentlich war es eher rau, struppig und grob, völlig anders als Marions weiche Locken. Er öffnete die Augen einen
Spaltbreit und erblickte braunes, glänzendes Fell, das ihn bedeckte, dann eine scharlachrote, mit Goldborte abgesetzte Satteldecke, die darüber hing. Er wandte den Kopf zur anderen Seite. Ein scharlachroter Uniformrock mit glänzenden Knöpfen und ein in weißes Flanell und braunes Leder gekleidetes Bein lagen über der Kruppe des Pferdes. Er schloss die Augen wieder. Nein, er hatte nicht geträumt. Die erbarmungslose Wirklichkeit traf ihn wie ein Schlag.
Langsam versuchte Duncan, seine Beine zu bewegen, die unter dem schweren Körper des Tieres eingeklemmt waren. Ein glühender Schmerz fuhr durch seine Leiste und erinnerte ihn qualvoll an seine andere Verletzung. Er musste unbedingt fort von hier, denn wenn die Sassanachs zurückkamen und ihn fanden, würden sie ihm gewiss den Garaus machen
Überhaupt, wo waren sie geblieben? Er vernahm immer noch das Klirren von aufeinandertreffenden Klingen, ein paar einzelne Schüsse und die Schreie von Männern. Aber der Kampflärm schien jetzt so weit weg zu sein…
Plötzlich strich etwas über sein Haar. Dann griff jemand nach seinem Hemd. Er erschauerte vor Entsetzen. Weit riss er die Augen auf. Der Nebel, der über seinem Geist gelegen hatte, verflog endgültig, er erwachte aus seiner Erstarrung und stieß einen heiseren Schrei aus. Doch eine Hand legte sich auf seine Brust und drückte ihn wieder auf den Boden zurück.
»Kannst du mich hören, Duncan?«
Das mit Blut und Staub verklebte Gesicht seines Vaters beugte sich über ihn. Liams Augen waren gerötet und feucht. Mit raschen, geschickten Händen tastete er Duncans Oberkörper ab und drehte dann behutsam seinen Kopf zur Seite.
»Herrgott …«
Auf seiner Wange verhielten die Finger ganz sanft, aber dennoch flammte der Schmerz von neuem auf und entlockte ihm ein Stöhnen. Er spürte, wie seine Gesichtshaut sich ablöste, auseinanderklaffte. Mit zusammengezogenen Augen untersuchte sein Vater die Wunde.
»Mir scheint, dass keine Stücke fehlen, und der Knochen ist heil geblieben«, murmelte er schließlich.
Duncan verspürte mit einem Mal den Drang, bitter aufzulachen. Der Knochen heil? Keine Stücke fehlten? Vielleicht sollte sein Vater lieber die andere Verletzung ansehen …
»Wir müssen dich von hier fortbringen …«
Liam wollte aufstehen, doch Duncan hielt ihn am Ärmel fest.
»Vater … Ran? …«
»Wir können nichts mehr für ihn tun, Sohn.«
»Ahhh! Nein, diese Bastarde!«, stöhnte er und ließ zu, dass die Trauer ihn überwältigte und am Boden festnagelte.
»Du hast ihn gerächt, Duncan.«
»Gerächt? Nein, Ran war mehr als einen einzigen dieser dreckigen Hunde wert!«
Ihre Blicke trafen sich. Schuldgefühle und Gewissensbisse drückten beide Männer nieder. Eine entsetzliche Pein erstickte Duncan und raubte ihm den Atem. Er hatte das Versprechen, das er seiner Mutter gegeben hatte, nicht halten können! Und er
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