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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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einem scheußlichen, metallischen Knirschen begleitet.
    Flüchtig begegnete sein Blick dem des Angreifers. Waren seine Augen blau oder grau? Keine Zeit … Verzweifelt versuchte der
Soldat, sich die Muskete, die Duncan ihm aus den Händen gerissen hatte, zurückzuholen. Doch der junge Highlander trat sie aus seiner Reichweite. Dann richtete sich Duncan rasch auf und konnte endlich seinen Dolch ergreifen. Der Griff war klebrig und feucht. Fest umklammerte er ihn und stürzte sich auf den Soldaten, der versuchte, auf die Beine zu kommen. Ein einziger Stich, gut gezielt und präzise direkt unter das Kinn gesetzt. Blut sprudelte hervor und umfing ihn mit seinem faden Geruch. Einen Moment lang sah Duncan den Soldaten an. Grau … Seine Augen waren grau.
    »Noch einer für König James.«
    Er schaute sich nach seinem Vater und seinem Bruder um, doch sie waren nicht zu sehen. Er war allein, allein im Angesicht des Todes, der die langen, klauenbewehrten Finger um ihn schloss, um alle, die ihn umgaben. Dieser Geruch… dieser Gestank nach Blut und Schießpulver. Er drang in seine Atemorgane ein und heftete sich an die Poren seiner Haut. Das Gebrüll der wütend kämpfenden Männer, das laute Klirren von Stahl auf Stahl, das Knallen der Musketen; all diese Eindrücke drangen in sein Bewusstsein und prägten sich seiner Erinnerung für alle Ewigkeit ein. Er war allein unter diesen Tausenden von Männern, die sich gegenseitig durchbohrten, in Stücke rissen, töteten. Ein Gemetzel … Sein Herz schlug so heftig, dass er meinte, es müsse über diese ganze höllische Ebene schallen. Wie das Hämmern der Hufe eines Pferdes im Galopp. Pferde … Nein, das war nicht sein Herz. Das war die Kavallerie, die direkt auf sie zuhielt.
    Sofort änderte Duncan die Richtung und stieg den Abhang einige Schritte hinab. Eine Kugel pfiff über seinen Kopf. Er ließ sich fallen und rollte noch ein Stück weiter. Eine Hand packte ihn am Hemd und zog ihn beiseite.
    »He, Macdonald! Nicht die richtige Zeit für ein Nickerchen!«
    »Scher dich zum Teufel, Macgregor!«
    Durch eine dicke Schicht aus Blut und Schießpulver grinste James Mor ihn an.
    »Wir haben hier noch nicht aufgeräumt, mein Alter.«
    Er half ihm beim Aufstehen und klopfte ihm dann wohlwollend auf die Schulter.

    »Für den König, Macdonald!«, brüllte er und schwenkte sein Breitschwert.
    »Für den König!«, schrie Duncan ebenfalls.
    James riss den Mund auf und stieß einen heiseren Schrei aus. Ein Arm mit einer bedrohlichen Klinge fuhr auf Duncan zu. James hob seinen Claymore und schlug mit tödlicher Wucht zu. Ein Geheul folgte. Der Mann fiel zu Boden und wand sich wie ein Aal. Sein abgetrennter Arm, dessen Finger noch das Heft des jetzt harmlosen Schwerts umklammerten, lag neben Duncan auf dem Boden.
    »Mein Leben auf der Sweet Mary gegen deines in Sheriffmuir. Jetzt sind wir quitt. Pass auf dich auf, Duncan.«
    Er trat über den zappelnden Körper hinweg und stach dem Mann die Spitze seines Dolches in die Kehle.
    »Schöne Träume«, sagte er zu dem Soldaten, der mit einem Mal erschlaffte.
    Dann kletterte er wieder den Hügel hinauf und sprang über die zerfetzten Leichen, die im Heidekraut lagen.
    Duncan warf einen Blick in die Runde und hatte den eigenartigen Eindruck, sich von sich selbst zu lösen. Er brauchte nicht mehr zu denken, zu überlegen. Sein Verstand verarbeitete blitzschnell, was seine Augen sahen, und befahl seinem Körper augenblicklich die Reaktionen, die zum Überleben notwendig waren. So etwas hatte der junge Mann noch nie erlebt. Und vor allen Dingen hatte er so etwas noch nie gesehen. Die Zeit schien aus den Fugen geraten zu sein. Manchmal spielte sich alles ganz langsam ab, und dann überschlugen sich die Ereignisse mit unerhörter Geschwindigkeit. Er hatte das Gefühl zu schweben, wie in einem Albtraum. Wie lange dauerte die Schlacht wohl schon? Minuten, Stunden?
    Sein Blick fiel auf einen hellroten Schopf, der die anderen Männer überragte: sein Vater. Liam schien in eine andere Richtung zu sehen… Zu seinem Bruder? Ranald schwang sein Schwert und fing mit seinem Schild einen Hieb ab, während sich seine Klinge in das Fleisch seines Gegners bohrte, seine Flanke durchdrang und in beinahe in zwei Teile spaltete.
    Der Blutgestank stieg Duncan zu Kopf. Sein Mund fühlte sich
klebrig und trocken an. Er stolperte über ein abgeschlagenes Haupt; das Gesicht, das ihn anstarrte, war bleich und verzerrt, in einem stummen Schrei festgefroren. Ein Dragoner kam

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