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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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schlummerte. Er hatte die ganze Szene verfolgt, doch er hatte es für besser gehalten beiseitezubleiben, um den Flickschuster und die Stickerin nicht zu stören. Der Körper seines Sohnes war in guten Händen, und seine Seele ebenfalls, wie es schien. Mit einer Mischung aus Erleichterung und Neid hatte er die beiden jungen Leute beobachtet. Dieses Mädchen besaß wirklich Schneid. Kein Wunder, dass Duncan sich trotz seiner Warnungen in sie verliebt hatte.
    Neben ihm tauchte plötzlich ein Mann auf, der einen blutbefleckten groben Bauernkittel trug, dessen Ärmel er sich bis zu den Ellbogen hochgekrempelt hatte. Er wurde von zwei jungen Burschen von etwa fünfzehn Jahren begleitet. Der eine trug einen mit rötlichem Wasser gefüllten Eimer und der andere einen kleinen Koffer, den er zu seinen Füßen auf dem Boden abstellte.
    Der Mann beugte sich über Simon, presste unschlüssig die Lippen zusammen und zog ihm ein Augenlid nach dem anderen hoch. Anschließend untersuchte er sein linkes Knie, das von einer Musketenkugel zu Brei zerschmettert worden war.
    »Hmmm.«
    Er betastete die Umgebung der klaffenden Wunde und verzog das Gesicht.
    »Hmmm«, meinte er noch einmal.
    Als Simon die Hände spürte, die ihn untersuchten, stöhnte er und schlug die Augen auf.

    »Heda! Seid Ihr wohl bald fertig damit, an mir herumzuhantieren, verflucht! Man kann die Wunde ja wohl deutlich genug sehen, oder?«
    »Hmmm, ja. Genau das hatte ich befürchtet«, murmelte der Mann und hob seine Adlernase. »Die Kniescheibe ist in tausend Stücke gesprengt, und das Gelenk scheint schwer beschädigt zu sein.«
    Simon erbleichte, denn er fürchtete die schlimmste Diagnose.
    »Was soll das heißen? Ihr habt doch hoffentlich nicht die Absicht, mir das Bein abzuschneiden? Das ist nur eine Schusswunde. Da habe ich schon schlimmere abbekommen, wisst ihr.«
    »Vielleicht, aber wenn Ihr meine Meinung hören wollt, dann ist das eine ganz üble Schussverletzung. Ich fürchte, Ihr werdet Euer Knie nie wieder gebrauchen können. Oder Euer Bein. Und durch die vielen Knochensplitter ist die Gefahr groß, dass sich das Ganze entzündet.«
    Simon, der totenbleich geworden war, wandte sich an Liam.
    »Das wirst du doch nicht zulassen, oder?«
    Ohnmächtig schüttelte Liam den Kopf. Er hatte schon befürchtet, dass Simon sein Bein verlieren könnte, doch er hatte sich gehütet, mit ihm darüber zu sprechen.
    »Hör zu, mein Alter, die Entscheidung darüber liegt nicht bei mir …«
    »Ich lasse mir nicht das Bein abschneiden, verflucht!«, brüllte der kräftige Mann und stützte sich auf die Ellbogen hoch.
    Er versuchte, sich zu bewegen, doch der Schmerz zwang ihn liegenzubleiben. Eine feine Schweißschicht überzog seine Haut und glänzte im Licht der Lampen, die hier und dort in der Scheune hingen. Den Arzt schienen die heftigen Beteuerungen seines Patienten nicht zu beeindrucken. Er beugte sich über sein Köfferchen und zog ein mit einer Flüssigkeit gefülltes Glasfläschchen hervor, das er in der Nähe auf einer Bank abstellte. Dann griff er wieder hinein und nahm ein Holzinstrument mit einem Handgriff heraus, der dazu diente, einen Bolzen zu drehen, an dem ein Hanfstrick befestigt war. Bestürzt erkannte Liam den Gegenstand: eine Aderpresse. Anscheinend gab der Arzt
nichts auf die Meinung des Verwundeten, der sich heftig zu wehren begann, als er das Instrument erblickte.
    »Schaff mir diesen Scharlatan vom Halse!«, zeterte Simon. »Niemand wird mein Bein anrühren!«
    »Simon, um Gottes willen … Da ist nichts mehr zu machen«, erklärte Liam und drückte ihn auf dem Strohsack zurück.
    »Liam, wir kennen uns, seit wir Kinder waren. Du weißt genau, dass ich niemals mit einem Bein leben könnte. Du darfst nicht zulassen, dass dieser verfluchte Scharlatan mich zerhackt!«
    »Ich bin kein Scharlatan, Sir«, warf der Arzt, der verärgert wirkte, kühl ein. »Mein Name ist Hector Niven, und ich bin Chirurg mit einem Abschluss an der Universität von Edinburgh. Außerdem bin ich der Leibarzt des Earl of Seaforth. Meine Dienste habe ich wegen meiner Überzeugungen und im Dienste des Prätendenten angeboten, und nicht wegen des Lohnes. Wenn Ihr also nichts dagegen habt, dann lasst mich jetzt meine Arbeit tun. Ihr seid nicht der einzige Verwundete hier, und ich habe nicht die ganze Nacht Zeit.«
    Simon starrte ihn verblüfft an.
    »Wenn ich nichts dagegen habe? Aber natürlich habe ich etwas dagegen, verdammt! Schließlich geht es hier um mein Bein, wenn ich

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