Lanze und Rose
während der eine der beiden Assistenten des Chirurgen, der soeben eine Holzwanne, die noch feucht von Blut war, unter den Tisch gestellt hatte, das Kauterisierungseisen in ein Becken mit rotglühenden Kohlen steckte.
Die Männer in ihrer Umgebung waren sichtlich angespannt. Einige waren sehr blass geworden und bedachten die Ansammlung von Skalpellen, Messern und Zangen, die der Arzt jetzt auf einem ausgebreiteten Leintuch auslegte, mit nervösen Blicken. Eigenartig, dass die Männer sich ohne mit der Wimper zu zucken feindlichen Schwertern stellen konnten, die mehr als eine Elle lang und rasiermesserscharf waren, aber käsebleich wurden, wenn sie ein Skalpell sahen.
Der Arzt tränkte einen Lappen mit Wasser und wischte oberflächlich den mit Blut und Schlamm verklebten Schenkel des armen Simon ab, der es jetzt richtig mit der Angst zu tun bekam. Die Aderpresse war angelegt, und die Operation konnte beginnen.
Liam spürte, wie sich ihm der Magen umdrehte. Gewiss, er hatte im Kampf schon erlebt, wie jemandem ein Körperglied abgeschlagen wurde. Aber ein sauberer und rascher Schwerthieb war bestimmt weniger schmerzhaft als eine lange, qualvolle Amputation. Er sah sich in der Scheune um und begegnete den Blicken Duncans und Marions, die das entsetzliche Schauspiel beobachteten. Die junge Frau schien kurz davor zu sein, in Ohnmacht zu fallen, und seinem Sohn ging es offenbar nicht anders. Der Arzt tippte ihm auf die Schulter, und Liam fuhr zusammen.
»Wir sind bereit. Er muss ruhiggestellt werden.«
Er reichte ihm ein altes, zerbissenes Lederstück.
»Für seine Zähne.«
Die beiden Hünen hielten Simon fest an den Armen, während Liam sich über seinen Oberkörper legte, ihn an den Schultern packte und über alles und nichts auf ihn einredete. Als sein unglücklicher Freund einen schrecklichen Schrei ausstieß und kurz erschlaffte, wusste er, dass der Arzt mit der Operation begonnen hatte. Zwei weitere Männer mussten sich einschalten, um den Verwundeten festzuhalten. Simons Augen verdrehten sich, und sein Kopf fiel schwer nach hinten. Erleichtert stellte Liam fest, dass sein Freund das Bewusstsein verloren hatte. Doch die Ruhepause währte nicht lange: Langsam kam Simon wieder zu sich, keuchte und schlug wild um sich.
»Hab es mir anders überlegt, mein Alter … Gebt mir schon diesen verfluchten … Sirup. Ich glaube, für heute habe ich … genug …«
»Dafür ist es jetzt ein wenig zu spät…«
»Nun gebt ihm schon den Opiumsirup!«, brüllte Liam und drehte sich zu dem verärgerten Arzt um.
Dabei konnte er nicht umhin, Simons Bein zu sehen.
Oberhalb des Knies war die Haut ordentlich eingeschnitten, vom Fleisch gelöst und wie die Schale einer Frucht über den Schenkel gebreitet worden. Der Arzt hatte die Muskeln abgetrennt, und der freigekratzte, ausgelöste Knochen hob sich weiß von dem blutigen Fleisch ab. Sorgfältige Arbeit, trotz der großen Dringlichkeit. Liam spürte, wie ihm übel wurde, und er wandte sich rasch wieder ab. Er brauchte dringend einen ordentlichen Schluck Whisky.
Der eine der Helfer goss den Sirup zwischen Simons Lippen. Er ächzte und verfiel in einen halb bewusstlosen Zustand. Ein unheimliches Schaben drang an Liams Ohren, und er biss die Zähne zusammen. Inzwischen war sein Hemd genauso schweißnass wie das seines Freundes.
»Braucht Ihr noch lange?«
»Nun ja, ich habe den Knochen noch nicht ganz durchtrennt. Anschließend muss ich die Ränder feilen, dann die Ligatur anlegen und …«
»Schön! Erspart mir doch bitte die Einzelheiten, ja?«
»Wie Ihr wollt …«
Das Kreischen der Säge wurde unerträglich. Mehrere Männer hatten die Scheune bereits verlassen; andere würden ihnen, nach ihrer grünlichen Gesichtsfarbe zu urteilen, sicherlich bald folgen.
Das dumpfe Geräusch, mit dem etwas schwer zu Boden fiel, ließ Liam den kalten Schweiß ausbrechen. Er schloss die Augen. Nun hatte Simon sein Bein unwiderruflich verloren. Unter ihm stöhnte sein Freund schwach. Seine Brust hob und senkte sich regelmäßig, und er kam ihm jetzt friedlicher vor. In seiner Aufregung musste der Helfer ihm eine Dosis gegeben haben, die ein Pferd betäubt hätte. Schlaf, mein Freund. Nicht nötig, das bei vollem
Bewusstsein durchzumachen, um mir zu beweisen, dass du ein Mann bist.
»So, mit dem Schnitt bin ich fertig«, verkündete Dr. Niven. »Würdest du bitte die Aderpresse fester anziehen, Timothy? Die Blutungen hörten nicht auf… Er verliert zu viel Blut.«
Ein Schnappen
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