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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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mich nicht irre! Und wenn ich nicht will, dass Ihr es mir abschneidet, dann ist es eben so!«
    Der Chirurg seufzte.
    »Hört mir zu, Ihr armer Teufel. Wenn ich Euch das Bein lasse, dann werdet Ihr mich in einigen Tagen, spätestens in ein paar Wochen, anflehen, es euch abzuschneiden. Doch dann wird es zu spät sein, weil dann bereits der Wundbrand eingesetzt hat. Habt Ihr schon einmal erlebt, wie einem Menschen, der noch lebt, ein Körperteil abfault? Es wird ganz schwarz und trocknet aus. Der Schmerz ist derart, dass ich schon gesehen habe, wie sich ein Mann selbst den Arm abgeschnitten hat, um sich davon zu befreien. Gar nicht zu reden von dem Gestank. Dieser entsetzliche Verwesungsgeruch, der Euch niemals verlässt und durch den Ihr nicht einmal atmen könnt, ohne dass Euch übel wird!«
    Simon atmete schwer, und die Augen traten ihm fast aus den Höhlen. Seine Haut hatte eine graue Färbung angenommen. Die
Überredungskraft dieses Arztes ist ebenso wirksam wie seine Wissenschaft, dachte Liam bei sich.
    »Lieber Gott, ach du lieber Gott!«, brummte Simon keuchend.
    Doch der Arzt war offensichtlich der Ansicht, dass er noch nicht genug gesagt hatte, denn er setzte seine makabere Litanei über die Auswirkungen des Wundbrandes fort:
    »Und wenn das geschieht, Sir, dann muss ich das Glied noch höher abtrennen, wenn nicht vollständig, um ganz sicherzugehen, alles tote Gewebe zu entfernen. Denn wenn ich nur ein winziges bisschen vergesse, dann kehrt der Wundbrand zurück und frisst Euch auf, bis Ihr nur noch ein Haufen faulenden Fleisches seid. Versteht Ihr, was ich Euch zu erklären versuche?«
    Simon nickte langsam, eine Hand auf die Brust gelegt. Seine Finger krallten sich in den Stoff seines Hemdes. Plötzlich verzerrte sich sein Gesicht.
    »Simon«, rief Liam seinen Freund an, »geht es dir nicht gut?«
    »Es ist … Oh! Das geht schon, Liam«, murmelte sein Freund mit angespannter Stimme. »Ich glaube, es war nur der Schreck. Das geht vorbei. Verstehst du, es fällt nicht leicht, sich damit abzufinden. Was wird Margaret dazu sagen? Ein Ehemann mit einem Bein, bah!«
    Liam lächelte gequält.
    »Du weißt genau, dass sie dich nicht nur wegen deiner Beine geheiratet hat«, sagte er, obwohl er wusste, dass seine Worte müßig waren.
    Wie hätte er selbst unter ähnlichen Umständen reagiert? Sicherlich genau wie Simon. Sein Freund sah ihn flehend an.
    »Wenn ich es recht überlege, Liam, glaube ich, dass ich lieber sterben möchte.«
    »Simon«, gab Liam zurück und fasste ihn an den Schultern. »Du bist doch kein Feigling. Heute hast du wie ein Gott gekämpft. Wie viele von diesen verfluchten Sassanachs hast du gefällt ? He, wie viele?«
    Simon lächelte schwach.
    »Sechzehn«, verkündete er stolz. »Das sind sogar mehr als in Killiecrankie, weißt du noch?«

    »Wie könnte ich das vergessen, mein Alter?«
    Aus dem Augenwinkel beobachtete Liam den Arzt. Der Mann schickte sich an, die Aderpresse um das Bein zu legen. Simon stöhnte und sprach dann weiter, während sein Freund ihn fest an den Schultern gefasst hielt.
    »Damals habe ich nur elf erledigt. Aber dennoch war das ein süßer Sieg … Diese Feiglinge sind gerannt wie die Hasen, statt zu kämpfen wie Männer. Autsch! Was macht der Kerl da bloß?«
    »Ist gut, Simon, man kümmert sich um dich. Deine Margaret wird schrecklich stolz auf dich sein, wenn du zurückkehrst.«
    Der Verwundete lachte höhnisch.
    »Ja … Margaret … Sie fehlt mir, weißt du …«
    Der Arzt tippte Liam auf die Schulter, und er drehte sich um. Er erbleichte, als er auf dem Tisch, auf dem die Operation stattfinden sollte, die Stahlsägen und die Feilen sah, die noch mit dem Blut des letzten Patienten befleckt waren.
    »Er hat Glück, ich habe noch ein wenig Laudanum …«
    »Ich werde überhaupt nichts nehmen!«, schrie Simon und richtete sich von neuem auf. »Ich bin doch kein Weichling!«
    Er hatte Liam zur Seite geschoben und erblickte jetzt ebenfalls die sorgfältig zurecht gelegten unheimlichen Instrumente.
    »Oh!«
    Liam winkte zwei kräftige Männer, die sie beobachteten, heran.
    »Komm schon, Simon, sei nicht dumm und nimm einen Schluck.«
    »Nein.«
    »Du weißt schon, dass du ein schrecklicher Dickschädel sein kannst, oder?«
    »Ja. Das sagt mir meine süße Margaret auch immer.«
    Mithilfe der beiden Männer packte man den Verwundeten auf den Tisch. Eine kleine, rundliche Frau legte einen Berg einigermaßen sauberer Tücher neben ein Becken mit kochend heißem Wasser,

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