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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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vorkommen. So bleiben die Texte unverändert und können nicht von dem, der sie überträgt, umgeschrieben werden.«
    »Sprecht Ihr Latein?«
    »Nein, ich hatte nie die Möglichkeit, es zu lernen …«
    Coll flüsterte seinem Bruder Alex etwas ins Ohr, und dieser warf mir einen zögernden Blick zu.
    »Coll! Könntest du deine Meinung vielleicht mit uns teilen ?«
    Der Junge sah widerstrebend zu mir auf.
    »Ähem …«
    »Du hast doch etwas zu deinem Bruder gesagt, oder?«
    »Ja, schon … Ich weiß aber nicht, ob ich es Euch verraten darf, Madam …«
    Alex schüttete sich angesichts der verunsicherten Miene seines
kleinen Bruders vor Lachen aus und beschloss dann, an seiner Stelle zu antworten.
    »Er hat gesagt, dass die Mädchen kein Latein lernen können, weil sie nicht sehr lange in die Schule gehen.«
    »Au!«, rief Coll und zog den Kopf zwischen die Schultern. Ich schaute auf ihn hinunter. Er machte sich erneut ans Werk und wagte nicht mehr, von seinem Blatt aufzusehen. Isaak und Neil steckten die Nase in ihre Schreibarbeit und unterdrückten ein Kichern.
    »Sicherlich, die Mädchen haben nicht die Möglichkeit, längere Studien abzuleisten. Aber glaubst du, dass sie deswegen dumm sind?«
    »Also, davon hab ich keine Ahnung«, stotterte der arme Coll, der ganz rot geworden war.
    Sichtlich durcheinander musterte er mich.
    »Also …«
    Etwas anderes wusste er nicht zu sagen.
    »Die Frauen brauchen nicht zu denken«, fiel Isaak ein, »weil die Männer für sie entscheiden. Und außerdem ist es ihre Pflicht, sich um ihren Gatten, ihre Kinder und ihr Haus zu kümmern.«
    »Isaak MacEanruigs! Sei nicht unverschämt!«, schalt Janet ihn scharf.
    »Aber das ist doch wahr!«, erwiderte der Junge.
    »Wenn das so ist, du Schlauberger«, fiel Alice ein, »kannst du mir dann erklären, warum Mama bei Papa immer das letzte Wort hat?«
    Damit war die Debatte beendet.
    »Herrgott!«, stieß Janet hervor und sammelte die Blätter ein. »Steck dir bloß einen Scone in den Mund, Isaak, damit du kein dummes Zeug mehr reden kannst.«
    Das ließ er sich nicht zweimal sagen.
    »Wie geht es Leila?«, erkundigte ich mich bei Janet, während ich die Blätter und Schreibfedern in den Küchenschrank räumte.
    Janet verkorkte die Tintenfässer.
    »Nicht besonders gut, muss ich sagen. Und Robin wird wohl so bald nicht zurückkehren …«

    Sie unterbrach sich kurz und betrachtete das letzte Tintenfass aus kobaltblauem Glas, ohne es wirklich zu sehen.
    »Die letzten Nachrichten, die John erhalten hat, besagten, die Schlacht stehe unmittelbar bevor. Die royalistischen Truppen hatten Dunblane eingenommen, und der Earl of Mar stand in Perth. Er wird wohl noch länger fortbleiben …«
    Ängstlich saß sie zu mir auf.
    »Wir müssen die Hoffnung bewahren«, sagte ich, ebenso sehr, um sie zu beruhigen, wie, um mich selbst zu überzeugen.
    »Die arme Leila …«
    Unnötig genau reihte sie die Tintengläser auf dem Buffet auf.
    »Margaret, ihre Mutter, versucht ihr so gut wie möglich Mut zu machen. Aber für sie ist es auch nicht einfach.«
    »Leila ist noch jung, sie wird sich davon erholen. Sie und Robin können noch mehr Kinder bekommen.«
    Wenn er zurückkehrt! , dachte ich bitter, hütete mich jedoch, meine Befürchtungen laut auszusprechen. Im vierten Monat ihrer Schwangerschaft war Leila von einer Leiter gefallen, als sie versuchte, in der Scheune Gerstenbündel zum Trocknen aufzuhängen. Vier Tage später hatte sie eine Fehlgeburt erlitten. Es war ihr erstes Kind gewesen. Ohne das schnelle Einschreiten von Mrs. Wright, der Hebamme von Dalness, die gerade auf dem Weg zu einem Besuch bei einer Verwandten in Ballachulish Glencoe durchquerte, hätten wir auch sie verloren. Wir schienen vom Unglück verfolgt zu sein, als wäre der Aufstand nicht schon genug. Janet bot mir einen noch warmen Scone an.
    »Hier, nimm, bevor diese Vielfraße alles verschlingen!«
    »Danke.«
    Ich beobachtete Alex. Er hatte sich meines im Laufe der Jahre eselsohrig gewordenen Shakespeare-Bandes, den ich an Schultagen immer auf den Tisch legte, bemächtigt und las Alice MacEanruigs eine Passage vor. Die Schultern der beiden berührten sich, und die Wangen des hübschen, blonden Mädchens mit den grauen Augen waren vor Vergnügen rosig angelaufen. Auf diese zwei würden wir aufpassen müssen.
    »Alex ist schon fast ein Mann.«

    Janet bedachte die beiden Turteltauben mit einem besorgten Blick.
    »Und Alice beinahe eine junge Frau. Ich fürchte, sie hat eine Schwäche

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