Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
Vom Netzwerk:
für den schönen Alex. Ihr Vater sollte auf sie Acht geben. Aber Alex ist ein guter Junge. Seine Mutter hatte Glück, dass sie ihn bei sich behalten konnte. Seit dem Tag, an dem er sechzehn wurde, wollte er zur Armee; aber sie hat ihm erklärt, dass wir auch Männer brauchen, die das Tal bewachen und die Herde schützen, während die Krieger fort sind. Für den Augenblick scheint das gereicht zu haben. Aber sie fürchtet, dass sie eines Morgens sein Bett leer vorfinden und feststellen wird, dass sein Schwert verschwunden ist.«
    Eine bitter-süße Empfindung überwältigte mich. Ich freute mich für Calums Frau, doch zugleich spürte ich Neid und Eifersucht.
    »Mama, Mama!«, schrie Isaak, der am Fenster stand, plötzlich.
    Er wies auf etwas, das sich draußen befand.
    »Da kommt ein Reiter. Ganz bestimmt ein Mann. Keine Frau kann so groß sein!«
    Wir stürzten zum Fenster. Ich verschluckte mich an meinem Kuchenstück und bekam einen heftigen Hustenanfall. Die dicken Schneeflocken, die aus dem Himmel auf das Tal fielen, behinderten die Sicht stark, doch man konnte in der Tat einen Mann zu Pferde erkennen, der im Schritttempo auf uns zukam. Er war allein. Ein Bote? Diese Silhouette … Diese wilden Locken…
    »Oh mein Gott!«
    »Wer ist das?«, fragte Janet aufgeregt.
    Ich rannte zur Tür und riss sie auf. Janet, die mir gefolgt war, sah dasselbe wie ich. Schon liefen mir die Tränen über die Wangen. Zwei Monate lang hatte ich gewartet …
    »Alex, Kinder«, rief Janet. »Kommt, wir gehen nach Hause!«
    »Aber Mama …«
    »Kein Aber!«
    Ich hörte sie schon nicht mehr. Mein Herz hatte in meiner Brust zu rasen begonnen, und in meinen Ohren rauschte es. Hals über Kopf rannte ich los, den Abhang hinauf, der mich von ihm
trennte. Nur noch ein paar Schritte … Der Schnee klebte an mir, durchweichte mein Kleid und benetzte mein Gesicht. Da war er, ich konnte seine Züge erkennen… traurig und abgespannt. Abrupt blieb ich stehen und sah ihn an. Mir fehlten die Worte; meine Kehle war wie zugeschnürt. Er hielt sein Pferd an und schüttelte den mit Schnee bedeckten Kopf. Aber warum war er allein zurückgekehrt ? Oder würden die anderen gleich nachkommen? Ich streckte die Hand nach ihm aus.
    »Liam.«
    Doch meine Stimme war heiser vor Aufregung und trug nicht weit; in der schneeerfüllten Luft klang sie nur wie ein Flüstern. Er bewegte sich im Sattel und stieg langsam vom Pferd. Dann blieb er schweigend stehen und hielt das Tier weiterhin am Zaum fest. Herrgott! Komm zu mir, ich kann mich nicht mehr rühren … Er musste meinen stummen Schrei gehört haben. Einen Augenblick später lag ich in seinen Armen, die mich wie ein Schraubstock umklammerten, und wurde mit Küssen und Tränen bedeckt. Danke, Gott, er ist zu mir zurückgekehrt! So verharrten wir einen Moment lang und spürten weder die Kälte noch den Schnee, der sich auf uns ansammelte.
    »Caitlin, a ghràidh «, flüsterte er mir ins Ohr.
    »Gott hat meine Gebete erhört. Du bist zu mir zurückgekehrt, mo rùin .«
    Ich spürte, wie er zitterte … Falls ich das nicht selbst war. Ich löste mich ein wenig von ihm, um ihn anzusehen. Er trug die Spuren der Schlacht: einen Schnitt auf der Stirn und einen Bluterguss am Kinn, und um sein Handgelenk wand sich ein blutiger Verband. Sonst noch etwas? Zu sehen war jedenfalls nichts. Er war unverwundet.
    »Wann?«
    »Vor fünf Tagen, am dreizehnten.«
    Seine Lippen bebten, und seine Augen waren feucht und blickten düster drein.
    »Am dreizehnten? Aber das war letzten Sonntag! Ihr habt an einem Sonntag gekämpft?«
    Ungläubig sah ich ihn an.
    »Die Sassanachs haben den Tag gewählt…«

    »Habt … habt ihr verloren?«
    Mit seinen großen Händen strich er über meine Schultern und meine Arme, die er sanft umfasste.
    »Nein … Ach, ich weiß es nicht, Caitlin. Niemand hat gewonnen oder verloren…«
    Ich verstand nicht, worauf er hinauswollte.
    »Was ist geschehen? Wo sind die anderen? Kommen sie nicht zurück? Und die Jungen?«
    Ich schaute über seine Schulter und spähte in der Hoffnung, den Rest des Clans auftauchen zu sehen, in die verschneite Landschaft. Doch kein dunkler Punkt zeigte sich in dem makellosen Weiß. Das Pferd wartete geduldig einige Schritte von uns entfernt und stöberte mit der Schnauze im Schnee, auf der Suche nach ein paar Grashalmen, die es fressen konnte. Ich betrachtete das Tier, und da entdeckte ich sie: zwei zusammengerollte Plaids, aus denen die schimmernden Handschutze zweier Schwerter

Weitere Kostenlose Bücher