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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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nach kann man keine Ehe auf Lügen und Auslassungen aufbauen.«
    Sie warf mir einen fragenden Blick zu.
    »Da stimme ich mit ihm überein. Zwei Menschen, die einander nahestehen, sollten keine Geheimnisse voreinander haben. So etwas zerfrisst einem das Herz, und alles erscheint schließlich viel schlimmer, als es wirklich ist.«
    Sie schob sich eine Haarsträhne hinter das Ohr zurück und sah mich unsicher an.
    »Ich glaube, Vater erlebt im Moment so etwas Ähnliches.«
    Mein Herz zog sich zusammen.
    »Ja, das glaube ich auch«, gab ich bedrückt zurück. »Dein Vater ist traurig.«
    »Es ist mehr als das, Mutter. Ich meine … Wir trauern alle, weil wir Ran verloren haben, aber bei Vater geht das irgendwie tiefer.«
    Verblüfft schaute ich sie an. Sie wusste etwas …
    »Und was ist deiner Ansicht nach der Grund dafür, dass dein Vater trauriger ist als wir?«
    Sie nestelte am Saum ihres Mieders und zog die Augen zusammen.
    »Nun ja, Vater geht oft in die Berge … Eines Tages bin ich ihm gefolgt.«
    »Aber Frances!«, rief ich bestürzt aus.
    »Ich habe mich gefragt, wohin er geht und was er wohl die ganze Zeit über treibt.«
    Ich war wie vor den Kopf gestoßen über ihre Kühnheit, doch
ich brannte darauf zu erfahren, was sie wohl herausgefunden hatte.
    »Und?«
    »Er ist in eine Höhle gegangen, die im Süden des Meall Mor liegt, und hat dort mit sich selbst gesprochen.«
    »Bist du dir sicher, dass er allein war?«
    »Oh ja! Ich habe mich hinter einem Felsblock versteckt und ziemlich lange gewartet, nachdem er fort war. Niemand ist ihm gefolgt. Dann bin ich in die Höhle gegangen. Sie war leer, aber in die Felswände war etwas eingeritzt. Namen, und unter jedem ein Kreuz.«
    »Das ist die Höhle, in die sich die Überlebenden des Massakers geflüchtet hatten. Konntest du hören, was er gesagt hat?«
    »Ich habe ein paar Wortfetzen aufgeschnappt. Er schien zu beten und um Vergebung für seine Schuld zu bitten.«
    »Welche Schuld?«
    »Er hat gesagt, er hätte es nicht vermocht, die Menschen, die er liebte, zu schützen.«
    »Aber das ist doch lächerlich! Dein Vater ist nicht verantwortlich für Ranalds Tod, und auch nicht dafür, dass Anna und Coll oder Simon gestorben sind!«
    »Ich weiß, Mama. Aber er ist überzeugt davon, dass er schuld an ihrem Unglück ist. Vor allen Dingen, was Ran angeht. Er hat gesagt …«
    Mit einem Mal wirkte sie verlegen und unterbrach sich.
    »Was hat er gesagt? Ich will es wissen, Frances!«
    »Oh Mutter … Er glaubt, dass du ihm Vorwürfe machst, weil er Ran nicht beschützt hat. Vater hat gesagt, besser wäre er unter dem Schwert des Sassanach gestorben.«
    »Oh mein Gott!«
    Mir war, als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen. Wie konnte er nur so etwas denken? Das war doch vollständig absurd! Ich hatte ihm nie einen Vorwurf … Mit einem Mal beschlich mich ein ganz merkwürdiges Gefühl, und mein Magen krampfte sich zusammen.
    »Jetzt erinnere ich mich …«, flüsterte ich mit belegter Stimme.
    »Mutter?«

    Niedergeschlagen sah ich meine Tochter an und schüttelte langsam den Kopf.
    »Ich … Oh Liam! Das tut mir so schrecklich leid …«
    »Mutter!«, rief Frances besorgt. »Wovon redest du? Hast du wirklich so etwas zu ihm gesagt?«
    Wortlos nickte ich.
    »Mutter …«
    »In diesem Moment wusste ich nicht, was ich redete, Frances. Der Schmerz hat mir das Herz zerrissen. Er hatte mir gerade die schreckliche Nachricht überbracht, und … und ich glaube … Ich habe ihn beschuldigt, nicht gut genug auf Ranald aufgepasst zu haben …«
    Ich legte die Hand auf die Brust, um mein Herz zu beruhigen, das zu zerspringen drohte. Ich hatte Liam schlimmer verletzt, als hätte ich ihm einen Dolch in die Brust gestoßen. Wie hatte ich das nur tun können? Ich hatte ihm vorgeworfen, an Ranalds Tod schuld zu sein. Und diese Last trug er nun, Tag für Tag und jedes Mal, wenn ich ihn ansah. Daher zog er es vor, mir aus dem Weg zu gehen. Nur in der Dunkelheit der Nacht vermochte er mich zu berühren, weil er mir da nicht in die Augen zu sehen brauchte. Sein Schmerz musste unerträglich sein. Nur der Whisky vermochte ihn ein wenig zu lindern. Liam, mein Geliebter … Vergib mir. Warum hatte ich mich nur nicht eher aufgerafft, ernsthaft mit ihm zu reden?
    Etwas streifte meine Hand, und ich öffnete die Augen.
    Frances kniete vor mir und hielt mir Tante Nellies kleines, besticktes Taschentuch hin.
    »Du musst morgen nach Carnoch zurückreiten, Mutter.«
    »Ja«, stieß ich

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