Lanze und Rose
schluchzend hervor. »Ob er mir wohl jemals vergeben kann, dass ich an ihm gezweifelt habe?«
»Vater liebt dich, und bedeutet lieben nicht auch verzeihen?«
»Frances … Es ist oft sehr schwierig zu verzeihen.«
»Er wird verstehen, dass du deine Worte nicht ernst gemeint hast.«
Ich trocknete mir die Augen und schnäuzte mich; dann strich ich meiner Tochter, die mich voller Mitgefühl ansah, über die Wange.
»Ich weiß es nicht; ich habe ihn sehr tief verletzt. Aber ich hoffe es von ganzem Herzen.«
In unserem Tal war es bereits seit mehreren Stunden dunkel, als ich die ersten Ausläufer von Carnoch erreichte. Ich hatte entsetzliche Angst, Liam könnte trotz meiner flehentlichen Bitten, auf meine Rückkehr zu warten, schon wieder zu den Lagern der Jakobiten abgereist sein. Ich war später als geplant aufgebrochen : Trevors Eltern hatten darauf bestanden, dass ich mit ihnen zu Abend aß, und diese Einladung hatte ich nicht ablehnen können. Außerdem hatten sie mir für meine Rückkehr nach Glencoe eine Eskorte versprochen. Und so hatte ich Dalness erst kurz nach Sonnenuntergang verlassen, begleitet von zwei Männern, die zu alt waren, um nach Sheriffmuir geschickt zu werden, aber bis an die Zähne bewaffnet furchterregende Leibwächter abgaben.
Nachdem ich meine Stute in den Stall gebracht hatte, begab ich mich zögerlich ins Haus. In dem großen Raum war es dunkel und still. Einen Moment lang stieg eine Woge der Panik in mir auf.
Ich zündete einen Kerzenstummel an. Der Anblick der schmutzigen Teller auf den Tisch beruhigte mich ein wenig. Vielleicht war er einfach zu John MacIain gegangen. Ich wischte die Brotkrumen auf, sammelte die Hähnchenknochen ein und räumte seufzend die leere Whiskyflasche weg. Dann vernahm ich ein Rascheln aus dem Schlafzimmer. Ich stand wie versteinert da. Er war hier … Ich wartete einen Augenblick. Was sollte ich tun? Ihn wecken? Vielleicht schlief er auch gar nicht. Ich beschloss, ins Zimmer zu treten, und stellte die Kerze auf die Kommode. Die Pendeluhr tickte. Liam drehte sich herum, so dass das Bettgestell knarrte, und sein Arm sank schlaff auf den Bettrand. Ich lächelte, denn er schnarchte leise.
Ich nahm mir ein wenig Zeit, um den Schlafenden anzusehen. Der Geruch nach Whisky umschwebte ihn noch. Aber er schien so friedlich zu schlummern, dass ich mich nicht durchringen konnte, ihn anzusprechen. Stattdessen kauerte ich mich nieder und strich mit den Fingern über seinen Hals und über
seine Wangen, die er seit Tagen nicht rasiert hatte. Er schlug ein Auge auf, schloss es wieder und öffnete es erneut. Dann starrte er mich verstört an, als hätte er ein Gespenst gesehen.
»Liam, ich …«
Von neuem knarrte das Bett. Hinter Liam tauchte eine Gestalt aus der Dunkelheit auf. Nackte weiße Haut, zerwühltes braunes Haar. Mir stockte der Atem, und ich erstarrte. Jetzt bemerkte ich auch das Kleid, das zusammen mit Unterröcken und Hemd auf dem Boden lag. Dabei musste ich darauf getreten sein… Ich hatte das Gefühl, ohnmächtig zu werden. Schreien konnte ich nicht, ich brachte nur ein entsetztes Stöhnen heraus. Die Frau wandte sich mir zu. Margaret! Liam und Margaret! Die Namen hallten in meinem Kopf wider und hämmerten schmerzhaft auf mich ein. Ich richtete mich auf und wich einen Schritt zurück. Gleich würde ich fallen, meine Beine versagten mir den Dienst. Ich stützte mich auf die Kommode und lehnte mich an die Wand. Endlich konnte ich wieder sprechen. »Mein Gott! Mein Gott! Ich träume wohl, sag mir, dass ich träume! Das kann doch nicht wahr sein, Liam. Weck mich und sag mir, dass das ein Albtraum ist!«
Mir knickten die Beine weg, und ich glitt zu Boden und stieß einen Schrei aus. Liam, der inzwischen vollständig wach war, sprang aus dem Bett und hob die Kleidungsstücke auf. Dann warf er sie Margaret zu, die noch nicht ganz zu begreifen schien, was geschah.
»Zieh dich an, um Gottes willen!«, befahl er mit leiser, heiserer Stimme.
»J… j… ja.«
Hastig schlüpfte sie in ihre Kleider und starrte mich dabei benommen an. Dann kam sie anscheinend zur Besinnung.
»Caitlin, Caitlin, es ist nicht … Du musst mir glauben …«
Glauben? Die Worte trafen mich wie eine Ohrfeige. Mit einem Mal klärte sich mein umnebelter Geist, und ich zitterte vor Wut. Ich steigerte mich in ein höhnisches Gelächter hinein und musterte sie feindselig.
»Was soll ich glauben? Was soll ich glauben? Soll ich dir etwa abnehmen, dass du Schach mit meinem Mann gespielt
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