Lanze und Rose
Nase auf seinem Gesicht, und seine Finger strichen über kurzes, kratziges Fell. Erschrocken riss er die Augen auf.
Ein kleiner Hund, eine Promenadenmischung, sah ihn japsend, mit hängender Zunge an und wedelte zufrieden mit dem Schwanz.
»Warum hast du mich geweckt? Wer bist du? An cu-sith 29 ?«
Immer noch sah das Tier ihn aus seinen kleinen, blitzenden schwarzen Augen an. Duncan drehte sich abrupt um, und das Stroh knisterte. Er schluckte, um seine trockene Kehle zu befeuchten. Im Lichte der Sturmlampe, die neben der Tür hing, konnte er Colins Stiefel erkennen, die aus einem Strohhaufen ragten. Er rieb sich die Augen und zupfte ein paar Halme weg, die sich in seiner zerzausten Mähne verfangen hatten. Aber wo war Allan?
Der Hund versuchte es noch einmal und leckte ihm die Hand. Duncan streichelte ihn und kratzte ihn hinter den Ohren.
»Was willst du, a charaid , mein Freund? Wo ist dein Herr? Oder hast du Hunger? Dann tut es mir leid, ich habe nichts für dich.«
Das Tier kläffte kurz und lief zur Tür. Es wandte sich ein letztes Mal zu Duncan um, stieß dann mit der Schnauze die Tür auf und verschwand in der eisigen Dunkelheit. Durch die halb geöffnete Tür drang die kalte Luft ein und brachte die Flamme in der Lampe zum Flackern. Widerwillig quälte sich der junge Mann aus seinem warmen Nest, um die Tür zu schließen. Es war still; der Wind hatte sich gelegt, so dass es im Tal vollständig ruhig war. Colin regte sich.
»Was treibst du da?«
Seine blutunterlaufenen Augen ließen Duncan vermuten, dass er wahrscheinlich betrunken war. Er hatte schon geschlafen, als sein Onkel in den Stall gekommen war, doch es war sicher in den frühen Morgenstunden gewesen, nachdem er mehrere Pints Bier geleert hatte.
»Ein Hund hat mich geweckt. Wo ist Al?«
Colin rieb sich sichtlich verwirrt das Gesicht und schaute dann stirnrunzelnd in ein leeres Abteil.
»Also, ich weiß es nicht… Er hat dort gelegen, aber ich sehe, dass er nicht mehr da ist. Vielleicht hat er sich ja doch entschlossen, zu der kleinen Blonden in die Herberge zu gehen. Sie hat den ganzen Abend vor uns mit den Hüften gewackelt, das Luder.«
»Hmmm…«
Duncan griff nach der Flasche, die an seinem Sattel hing. Sie war leer.
»Ich gehe Wasser holen.«
Doch Colin war schon wieder ins Land der Träume davongeglitten.
»Schöne Träume, Onkel.«
Der junge Mann huschte nach draußen und schloss die Tür hinter sich. Der Temperaturunterschied ließ ihn frösteln. Über der Herberge, die sich vor den tiefblauen Hügeln abhob, stand der Mond als verschwommene, von einem blassen Hof umgebene Scheibe hinter einem Wolkenschleier. Im »Black Oak« schien alles zu schlafen; einzig im Schankraum brannte noch ein kleines Licht.
Nur ein paar Schritte auf einem schmalen Weg, der in den vom kalten Wind gehärteten Schnee getrampelt war, trennten den Stall von der Herberge. Duncan legte sie rasch zurück und trat auf leisen Sohlen ins Haus. Er ließ den Blick durch den großen Saal schweifen. Becher und Krüge standen auf den Tischen und auf dem Boden. In einer Bierpfütze lag ein umgestürzter Krug.
Eine Bewegung zog das Augenmerk des jungen Mannes auf sich; im hinteren Teil des Raums hatte sich etwas gerührt. Hatte sich Allan hier zum Schlafen niedergelegt? Er bückte sich und kniff die Augen zusammen. Ein Unbekannter schlief auf einer Bank. Sein Arm hing schlaff herunter, doch seine Finger schlossen sich immer noch um den Henkel eines leeren Zinnkrugs.
Mit leisen Schritten ging Duncan bis zur Theke, auf der zwei noch mit abgestandenem Bier gefüllte Krüge standen. Er nahm zwei Schlucke, um seine Kehle zu befeuchten. Als er den Krug auf die klebrige Theke zurückstellte, vernahm er ein leises Kichern, das von einem rauen Auflachen gefolgt wurde. Dann fiel
ein Lichtstrahl auf sein Gesicht. Gleichzeitig erschien in einer Tür die Gestalt einer Frau und erstarrte. Die Blonde mit dem gewaltigen Hinterteil stieß einen leisen Schrei aus und raffte ungeschickt ihr offenes Hemd über der fülligen Brust zusammen. Dann zog sie sich hinter die Tür zurück. Der junge Mann vernahm ein misstönendes Quietschen, und die Bodendielen begannen unter einem schweren Schritt zu knarren. Ein Koloss, der nur mit seinem Dolch und sonst nichts bekleidet war, tauchte in der Tür auf.
»Was habt Ihr da zu suchen?«
Das war nicht Allan.
»Ich trinke in aller Ruhe mein Bier aus«, erklärte Duncan und lächelte der Frau, die sich hinter ihrem Gefährten versteckte,
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