Lanze und Rose
ich es nicht für nötig gehalten, Euch ins Bild zu setzen.«
Duncan packte die kleine Frau am Arm und schüttelte sie grob.
»In welche Richtung sind sie geritten?«
»Ich weiß es nicht… Lasst mich doch los! Ihr tut mir weh, Ihr Grobian!«
Sofort ließ er sie los, und sie stürzte, wie ein aufgeregtes Huhn glucksend, zur Treppe. Dann blieb sie plötzlich stehen und drehte sich zu ihm um.
»Sie haben sich gen Westen gewandt. Genau! Jetzt erinnere ich mich wieder. Sie hat mir gesagt sie wollten in die Trossachs.«
Diese Hügelregion war der alte Stammsitz der Macgregors.
»Danke…«
Er fuhr herum und war dann, in einem Wirbel aus Blau, Rot und Grün, im Menschengewühl der Straßen von Perth verschwunden.
Im Laufschritt verließ Allan Macdonald die kleine, heruntergekommene Herberge und rannte zu Duncan und Colin, die völlig durchgefroren auf ihren Pferden ausharrten. Die Tiere konnten es kaum erwarten, aus den Windböen herauszukommen, die in ihre Mähnen fuhren und unangenehm um ihre Kruppen und Schweife wehten. Duncan war ebenso ungeduldig. Am liebsten hätte er selbst die Informationen darüber eingezogen, ob die Macgregors durch diese Gegend gekommen waren; doch wegen seiner Wunde in der Leiste versuchte er, nicht allzu oft von seinem Pferd ab- und wieder aufzusteigen.
»Sie sind hier durchgekommen«, erklärte der große Rothaarige und kletterte auf sein Reittier. »Noch heute Morgen. Der Wirt ist überzeugt davon, dass sie es waren. Rob Roy und das Campbell-Mädchen sind ziemlich unverkennbar. Sie haben angehalten, um sich nach dem Weg zu erkundigen und die Tiere ein wenig verschnaufen zu lassen. Dann sind sie in Richtung Norden weitergeritten.«
»Ist er sich sicher, was die Richtung angeht?«
»Ja. Er sagt, er sei vor die Tür gegangen, um sich zu vergewissern, dass sie wirklich fort waren, weil er keinen Wert darauf legt, dass sie in dieser Gegend herumlungern.«
»Bei diesem Wetter kann ich mir nur einen Weg vorstellen, den sie eingeschlagen haben«, meinte Colin. »Die Pässe und die Täler sind zugeschneit; sie werden sicherlich nicht quer durch die Berge reiten.«
»Du glaubst, dass sie nach Glenlyon wollen?«, fragte Allan.
»Das ist eine Möglichkeit. Aber sie könnten auch nach Glenorchy und Kilchurn Castle abbiegen.«
»Gut … Reiten wir durch das Strathfillan-Tal. Dann sehen wir weiter.«
»Was machst du, wenn du sie findest?«, wandte sich Allan spöttisch an Duncan.
»Nichts.«
»Wie, nichts?! Wegen nichts desertierst du und nimmst diesen weiten Weg auf dich?«
»Meine Beweggründe gehen dich gar nichts an.«
»Sie hat es dir angetan, was? Diese Campbell-Hexe hat dich verzaubert, mein Alter.«
»Halt den Mund, Allan!«, brummte Duncan und warf seinem Gefährten einen finsteren Blick zu. »Ich frage mich wirklich, warum du mich so unbedingt begleiten wolltest. Wenn du nur vorhast, gegen sie vom Leder zu ziehen, kannst du meinetwegen nach Perth zurückreiten.«
»Ist ja gut, reg dich nicht auf. Ich hatte eben genug davon, Trübsal zu blasen und darauf zu warten, dass dieser Schwachkopf Mar sich entschließt, die verfluchten Sassanachs noch einmal anzugreifen. Meine Güte, ich hatte Hummeln im Hintern.«
»Dann setz ihn mal in Bewegung, deinen Hintern. Ich möchte sie nämlich noch vor Einbruch der Nacht einholen, denn ich traue Macgregors Männern nicht.«
Colin und Allan wechselten einen vielsagenden Blick. Duncan bemerkte es, doch er zog es vor, die beiden nicht zu beachten, wendete sein Reittier und gab ihm die Sporen.
Der Schnee hinderte sie am Fortkommen, und der Wind verwehte alle Landmarken, an denen sie sich hätten orientieren können. Das Licht wurde schwächer; es wurde jetzt rasch Abend. Sie liefen Gefahr, sich bei Einbruch der Nacht mitten im Nirgendwo
wiederzufinden. So musste Duncan sich widerwillig damit abfinden, in einer Herberge am Eingang des Tals von Glenorchy abzusteigen.
Seit drei Tagen hatten sie Marions Spur verloren. Lange, anstrengende Tage waren das gewesen, während derer sie Meile auf Meile durch den Schnee zurückgelegt hatten, der das Vorankommen an manchen Stellen gefährlich machte. Duncan war Colin dankbar, dass er ihn begleitet hatte. Sein Onkel kannte diesen Teil der Highlands weit besser als er. Doch Colin hatte auch seine eigenen Gründe. Er würde nicht ins Lager zurückkehren. Sobald sie Marion gefunden hatten, würde er nach Glencoe reiten, um seine persönlichen Besitztümer zu holen, und dann über den Great Mor die
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