Lanze und Rose
beinahe selbst die Treppe hinunter. Fluchend taumelte der Mann einige Schritte zurück. Doch sein Gefährte, der Duncan immer noch am Arm festhielt, stieß ihn kräftig gegen die Wand und versetzte ihm einen Schlag in die Magengrube, der Duncan den Atem raubte. Er krümmte sich, ging in die Knie und versuchte, seinem Angreifer zu entkommen, indem er auf allen vieren an der Wand entlangkroch. Begünstigt durch die Dunkelheit gelang es ihm, sich in eine Ecke zu flüchten. Aber eine Klinge, die plötzlich unter seinem Kinn auftauchte, zwang ihn zum Aufstehen.
»Hier geht es für dich nicht weiter, Bursche.«
Endlich gab die Tür den wiederholten Attacken der Männer nach, und sie stürzten ins Zimmer. Eine unheimliche Stille trat ein, als wäre die Zeit stehen geblieben. Was war da los? Duncan verzog das Gesicht, als der Stahl sich in seine Haut drückte. Was war geschehen? Warum war es so still? Erschrocken versuchte er durch die Tür zu spähen, die offen stehen geblieben war. Ein
schwacher Lichtschein erhellte den Korridor, doch er vermochte nicht ins Innere des Zimmers zu sehen.
»Marion…«
Eine stahlharte Faust packte sein Haar und riss seinen Kopf brutal nach hinten. Der andere setzte die Klinge noch fester auf, doch er spürte den Schmerz nicht mehr. Er dachte nur noch daran, dass Marion sich in diesem Zimmer befinden musste. Aber was machten diese Männer? Wo war sie?
»Wer bist du?«, fragte der Mann, dessen Stimme ihm jetzt vage bekannt vorkam.
»Macdonald … Duncan Macdonald …«
Mit einem Mal gab die Faust ihn frei, und er fiel zu Boden.
»Also, da soll mich doch… Könntest du mir einmal erklären, was du hier zu suchen hast?«
»Marion… Ich glaubte sie in Gefahr…«
Eine Hand half ihm, sich zu erheben. Als Duncan stand, erkannte er James Mor, der ihm zulächelte. Dann brach im Zimmer ein heftiger Streit aus. Der junge Mann stürzte hin. An der Tür blieb er wie vom Donner gerührt stehen. Allan war angesichts des Dolchs, der ihn bedrohte, zur Salzsäule erstarrt und verdrehte entsetzt die Augen. Marion wandte ihm den Rücken zu. Ihr Nachthemd war zerrissen, und sie hielt die Waffe mit beiden Händen fest.
»Nein! Ich will ihn in Stücke hacken.«
»Wir kümmern uns schon um ihn«, versicherte ihr Rob, der offenbar nicht wollte, das Blut floss.
»Das ist das letzte Mal, dass dieser Bastard mich angefasst hat… Dreckiger Macdonald!«
Die Klinge des Dolchs näherte sich Allans Kehle, und er schluckte.
»Tu das nicht, Marion, ich schwöre dir, dass er dich nie wieder anrühren wird.«
Die junge Frau zuckte zusammen, so dass die Klinge zitterte. Langsam drehte sie sich zu ihm um und sah ihn entsetzt an.
»Marion… Bitte…«
»D … Duncan? Was … tust du hier?«
»Gib mir den Sgian dhu … Bitte.«
Einige Augenblicke lang stand sie noch sprachlos da. Der Dolch fiel zu Boden. Sofort packten die Macgregors den Missetäter und führten ihn aus dem Raum. Duncan schloss Marion, die jetzt heiße Tränen weinte, in die Arme.
17
Das Erbe der Campbells
Marion brauchte einige Zeit, um sich von der Aufregung zu erholen. Doch dann befreite sie sich aus Duncans Armen und wischte sich mit dem Ärmel über Augen und Nase. Der junge Mann betrachtete sie besorgt.
»Mir geht es schon besser«, stotterte sie und drückte die Hand, die immer noch die ihre umfasst hielt.
»Ganz bestimmt?«
»Ja, ich versichere dir, dass es mir gut geht.«
»Daran bin ich schuld; ich habe ihm erlaubt, mich zu begleiten, und dabei hätte ich wissen müssen … Oh, Marion! Es tut mir so leid.«
»Mir ist nichts geschehen, Duncan.«
Ein Schauer überlief sie. Ihre nackten Füße froren auf dem eisigen Boden. Sie setzte sich auf das Bett und zog die Beine unter den Körper. In der Herberge war wieder Ruhe eingekehrt. Die Macgregors waren mit Allan hinausgegangen, um ihn wegzubringen, aber im Grunde war ihr das vollkommen gleich. Wenn ihr Vater da wäre, dann würde dieser dreckige Schuft bereits an einem Strick baumeln. Doch da Macgregor die Sache in die Hand genommen hatte, vermutete sie stark, dass seine Männer dem großen Rothaarigen nur eine Tracht Prügel verpassen und ihm schlimmstenfalls einen oder zwei Zähne ausschlagen würden. Eine Krähe hackte eben der anderen kein Auge aus.
Auf dem Korridor waren Schritte zu hören. Die Tür öffnete sich einen Spaltbreit, und das rosig angehauchte Gesicht der Wirtin erschien.
»Man hat mich gebeten, Euch das hier zu bringen«, erklärte
die Frau, trat ein und
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