Lanze und Rose
zufügst, schwöre ich dir, dass du dich bei deinem Halunken von Großvater in der Hölle wiederfindest…«
Amelia kreischte schrill und rannte die Treppe hinunter. Rob stürzte ihr nach, um sie daran zu hindern, den ganzen Clan auf die Beine zu bringen, was zweifellos in einem Blutbad enden würde. Marion stand mühsam auf und hielt sich am Bettpfosten fest.
»Aufhören! Lasst ihn los.«
Doch Colin ignorierte sie einfach. Sie wollte sich bereits auf ihn stürzen, als sich von neuem lautes Stimmengewirr vernehmen ließ. Amelia schrie und kreischte hysterisch, und dann kamen schwere Schritte die Treppe herauf. Marion glaubte ohnmächtig zu werden.
»Vater…«
Der Laird von Glenlyon trat ins Zimmer, gefolgt von einem seiner Männer, der sofort auf Duncan losging und ihn gegen die Wand stieß. Brutal verdrehte er ihm den Arm auf dem Rücken und setzte ihm sein Messer an die Kehle. Jetzt würde Blut fließen…
»Gebt augenblicklich meinen Sohn frei!«
Colin gehorchte ohne Widerrede und schob John auf seinen Vater zu.
»Was geht hier vor?«, verlangte Glenlyon zu wissen.
Aus seinen tief in dunklen Höhlen liegenden Augen sah er sich im Zimmer um, bis sein Blick auf das Bett fiel. Dann, als ihm klar wurde, was er da sah, wich alles Blut aus seinem Gesicht, und ihm entrang sich ein lautes Stöhnen.
»Dieser verfluchte Macdonald hat sie besudelt!«, rief sein Sohn und wies mit dem Finger anklagend auf Duncan, der angesichts der scharfen Schneide, die sich auf ihn richtete, schwer atmete.
Marion stöhnte auf. Sie musste etwas unternehmen. Die Hand, die den Dolch hielt, wartete nur auf ein Zeichen, ein Wort, um dem jungen Macdonald die Kehle durchzuschneiden. Glenlyon richtete einen kalten Blick auf den mutmaßlichen Schänder.
»Ich war das! Ich selbst habe ihn in mein Zimmer gebeten.«
»Du hast diesen Hundsfott in dein Bett eingeladen?«, zischte ihr Bruder und spie ihr vor die Füße. »Du warst dem Earl of Strathmore versprochen; aber von einer kleinen Hure wie dir wird er jetzt bestimmt nichts mehr wissen wollen!«
»Halt den Mund!«, schrie Glenlyon und starrte seinen Sohn mühsam beherrscht an.
Im selben Moment begegnete Marion Duncans Blick, in dem tiefe Bestürzung über Johns Enthüllung stand. Der junge Mann schluckte heftig. Marion wandte sich ihrem Vater zu, der sie hart und undeutbar ansah.
»Ist das wahr?«, fragte er mit ausdrucksloser Stimme.
»Er soll ihn loslassen, Vater. Duncan hat mir nichts genommen, was ich ihm nicht aus freien Stücken gegeben habe.«
»Warum, Marion?«
»Also… weil…«
»Sie wollte sich wohl jede Aussicht verderben, eine gute Heirat abzuschließen«, fiel John höhnisch ein.
»Der Earl of Strathmore ist auf dem Schlachtfeld umgekommen, du armer Dummkopf!«
Sie schlug ihren Bruder mit finsteren Blicken und tat einen Schritt auf ihn zu.
»Immerhin ist er im Kampf für seinen König gefallen. Er hat ihn nicht verraten, so wie du!«
John erbleichte und biss die Zähne zusammen.
»Hör auf, Marion.«
»Ich denke nicht daran! Der Einzige, der hier den Namen der Campbells beschmutzt hat, bist du! Du hast nicht das geringste Recht, über meine Taten zu urteilen.«
Der Laird von Glenlyon runzelte die buschigen Augenbrauen, unter denen er düster dreinblickte.
»Erkläre dich, Marion. Was hat dieses Gerede über einen Verrat zu bedeuten?«
»John hat…«
Sie wusste, dass die schreckliche Enthüllung ihren armen Vater, den das Leben schon zur Genüge gebeutelt hatte, niederschmettern würde. Doch sie hatte keine andere Wahl; sie musste ihm die Wahrheit sagen. Kurz setzte sie ihm das Wesentliche auseinander. Die Einzelheiten konnten warten. Sie wollte ein wenig Trost in Duncans Blick suchen, doch der junge Mann wandte ihr den Rücken zu und verharrte immer noch unbeweglich unter der Klinge, die der Gefolgsmann ihres Vaters ihm an die Kehle hielt. Unter der Last des Schicksals, das ihn zu verfolgen schien, sackten Glenlyons Schultern zusammen. Er schloss die Augen. Gesenkten Hauptes wies er dann seinen Mann an, Duncan freizugeben, und befahl seinem Sohn, den Raum zu verlassen.
»Vater, ich kann alles erklären…«
»Geh sofort hinunter in mein Arbeitszimmer, John.«
Sein Sohn warf seiner Schwester und Duncan, der sich nicht gerührt hatte, einen letzten, hasserfüllten Blick zu und ging aus dem Zimmer. Colin folgte ihm auf dem Fuße. Nun wandte der Laird sich Duncan zu und maß ihn mit einem festen Blick.
»Ich habe etwas mit meinem Sohn zu besprechen.
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