Lanze und Rose
wohl über mich lustig! Willst du etwa behaupten, dass ihr gestern noch bis nach Finlarig geritten und dann gleich hierher zurückgekehrt seid?«
»Nein … Macgregor hat es überbracht.«
»Rob Roy?«
»Sie sagt vielleicht die Wahrheit, Rory. Brian hat mir gesagt, gestern seien Macgregors Männer auf unserem Land gesehen worden.«
Als Marion spürte, wie eine Hand ihr Hemd hochzuschieben versuchte, geriet sie in Panik. Doch ihr Schrei wurde von der Hand des Unbekannten, der sie immer noch an die Wand drückte, erstickt. Der Mann schimpfte und fluchte. Sie zappelte und wand sich, doch vergebens. Er war viel zu groß und zu stark für sie.
»Es schmeckt mir nicht, dass ich bei diesem elenden Wetter umsonst in das verfluchte Tal geritten sein soll!«, brüllte er frustriert. »Wenigstens eine Entschädigung werde ich mir holen …«
Er versuchte, den Mund auf Marions Lippen zu pressen, doch sie wich ihm aus.
»Immer langsam, Kleine, ich werde dir nicht wehtun… du wirst sehen, das kann sogar recht angenehm sein…«
Er ließ ihren Hals los, um nach ihrer Brust zu fassen. Vor Wut kochend, wehrte sie sich heftig. Aber der Mann stieß sie gegen die Wand und zwang mit dem Knie ihre Schenkel auseinander. Mit aller Kraft trat sie ihren Angreifer in die Weichteile. Der Mann stöhnte. Doch sie stellte bestürzt fest, dass er zu groß für sie war. Ihr Tritt hatte nur die Innenseite seines Schenkels getroffen.
»Dreckige kleine … Autsch!«
Das war schon besser! Er ließ sie abrupt los, griff sich an die Wange und betrachtete dann seine blutige Hand.
»Diese dreckige kleine Schlampe hat mich gekratzt!«, schrie er verblüfft.
Marion war endlich frei und stürzte sich auf ihren Dolch, den sie blitzschnell zückte. Die Überraschung des Mannes schlug in mörderische Wut um. Sie sah den Schlag nicht kommen, der
sie mitten ins Gesicht traf. Aus dem Gleichgewicht gebracht, drehte sie sich wie ein Kreisel und sank mit einem schmerzlichen Stöhnen auf dem Tisch nieder. Tränen traten ihr in die Augen und trübten ihren Blick. Sie versuchte aufzustehen. Ihr Kiefer tat schrecklich weh; und der Raum drehte sich merkwürdig um sie.
»… Luder … wird sie mir büßen…«
Gedämpft drangen Stimmen durch das ohrenbetäubende Rauschen, das in ihrem Kopf herrschte. Wimmernd stützte sie sich auf einen Arm hoch und tastete nach dem Dolch, der ihr entfallen war. Sie musste ihn finden… Dann schlossen sich ihre Finger um das kalte Metall.
Eine kräftige Hand packte sie an der Schulter und drehte sie auf dem Tisch herum wie einen Pfannkuchen.
»Lasst mich in Ruhe … Wir haben es nicht…«
Der Mann packte sie an der Vorderseite ihres Hemdes und zwang sie zum Aufstehen. Von neuem versuchte sie, ihn zurückzustoßen. Sein verächtlicher Blick ließ sie erstarren. Er würde sie töten!
Bilder schossen ihr durch den Kopf. Andere Campbells im Tal von Glencoe, die Macdonalds niedermetzelten. Und jetzt war sie eine von ihnen. Die Ironie der Situation machte sie schwindeln, und ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen.
»Nein…«, stöhnte sie schwach.
Ihr Kiefer schmerzte scheußlich. Es tat schon weh, die Zähne zusammenzubeißen.
»Lass sie los!«, rief der andere Mann. »Ich habe überall gesucht, hier ist nichts.«
»Das kleine Biest hat mich geohrfeigt! Dafür wird sie bezahlen!« , brüllte der erste.
»Lass es bleiben. Man hat uns befohlen, das Mädchen nicht anzurühren.«
»Aber sie treibt sich mit den Macdonalds herum!«
Marion versuchte mit dem Dolch nach dem Mann zu stechen. Aber sie war ihm nicht gewachsen. Sie fand sich mit auf dem Rücken verdrehtem Arm wieder und schrie vor Schmerz auf. Der Dolch fiel ihr aus der Hand. Der Mann gab wüste Beschimpfungen
von sich, während der andere ihn beschwor, es gut sein zu lassen und sich nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Doch er weigerte sich; er wollte seine Rache.
Marion wurde gegen die Wand geschleudert, schrie auf und stöhnte. Sie blickte zu dem Angreifer auf und hatte gerade noch Zeit, die Faust kommen zu sehen. Der Schlag traf sie in den Leib und presste ihr die Luft aus den Lungen. Der Schmerz war furchtbar. Sie würde sterben …
Sie dachte an Duncan, an ihr Gelübde, an seine Hände auf ihrem Körper… Die Hände eines Mannes aus Glencoe konnten sich auf der Haut einer Campbell so sanft anfühlen. Was für eine Ironie! Und jetzt… waren es die Fäuste eines Mannes aus ihrem eigenen Clan, die sie zusammenprügelten.
Sie krümmte sich und rang keuchend
Weitere Kostenlose Bücher