Lanze und Rose
einem finsteren Blick.
»Ich … Hör zu, Duncan, ich bin nur hineingegangen«, stammelte der andere. »Sie war schon … Ich schwöre dir, das habe ich nicht getan!«
Duncan spürte, wie ihm die Knie weich wurden. Was versuchte Allan ihm da zu sagen? War Marion etwas zugestoßen? Er stieß einen Schrei aus und stürmte nach drinnen, Allan dicht auf den Fersen. Es war dunkel, das Feuer war erloschen. Schnee bedeckte den Fußboden.
»Marion?«, rief er.
Aus dem hinteren Teil des Raumes drang ein Seufzen zu ihm. Er sah zum Bett. Als seine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten, konnte er Marions Umriss auf der Matratze erkennen.
»Was ist hier geschehen?!«, schrie er.
Er schürzte zu ihr und fasste sie an den Schultern. Ihre Haut fühlte sich eiskalt an, und sie stöhnte vor Schmerz. Rasch tastete er ihren Körper ab. Offenbar war nichts gebrochen.
»Ich habe nichts damit zu tun«, stotterte Allan hinter ihm.
Vor Wut kochend fuhr Duncan zu ihm herum.
»Machst du dich über mich lustig?«
Allan wollte zur Tür zurückweichen, doch Duncan war in Sekundenschnelle bei ihm und verpasste ihm einen kräftigen Kinnhaken. Ein Knochen krachte. Er fluchte heftig über seine schmerzenden Fingergelenke, während Allan sich neben der Tür auf die Bank sinken ließ.
»Zweimal hast du schon versucht, über sie herzufallen, du Dreckskerl!«, rief Duncan und rieb sich die Hand. »Dann schickst du Elsie hierher, wohl wissend, was sie vorfinden wird. Und du willst mich glauben machen, dass du nicht hergekommen bist, um dein schmutziges Geschäft zu Ende zu bringen?«
»Ich schwöre dir, dass ich die Wahrheit sage«, verteidigte sich Allan.
Er spuckte Blut in den Schnee, der auf dem Boden zu schmelzen begann.
»Mungo MacPhail hat Männer am Taleingang gesehen. Campbells«, erklärte er. »Da du so abgelegen wohnst und dein Haus fast am Eingang des Tales liegt, hielt ich es für gut, dich darüber zu unterrichten. Als ich hier ankam, sah ich, wie sich eine Gruppe von Männern entfernte. Die Tür stand offen. Als ich eingetreten bin, habe ich sie so auf dem Bett vorgefunden. Ich bin zu spät gekommen, die Männer waren schon fort…«
Duncan schnaubte und umklammerte seine schmerzende Faust, die er diesem Bastard am liebsten gleich wieder ins Gesicht geschlagen hätte.
»Und du wolltest dich davonschleichen, ohne ihr zu Hilfe zu kommen?«
»Ich wollte sie lieber nicht anfassen, Herrgott! Was hättest du wohl getan, wenn du mich angetroffen hättest, wie ich mich über deine … Frau beuge, die dazu noch furchtbar verprügelt und nur im Hemd ist?«
Diesem Argument musste sich Duncan beugen.
»Ich hätte dir alle Zähne ausgeschlagen, die du noch hast. Anschließend hätte ich dir wahrscheinlich die Weichteile abgeschnitten und sie Elsie als Verlobungsgeschenk geschickt.«
»Genauso etwas dachte ich mir«, sagte Allan nach kurzem Schweigen. »Ich hatte vor, Sarah zu holen, Alasdairs Frau. Sie wüsste bestimmt, was zu tun ist, dachte ich.«
Duncan kauerte sich wieder zu Marion, die zitterte und leise weinte, und begann, sie warm zu reiben.
»Zünde das Feuer wieder an, ja?«, knurrte er, an Allan gerichtet. »Dann machst du dich auf die Suche nach Sarah.«
»Ja…«
Rasch züngelten Flammen im Kamin auf und tauchten den Raum in einen tröstlichen Schein.
»Hör zu, Duncan«, begann Allan, der sich zum Gehen anschickte. »Sie ist deine Frau, und ich hätte ihr so etwas niemals angetan, Campbell oder nicht…«
»Schon gut!«, versetzte Duncan. »Und jetzt hol Sarah.«
Ohne ein weiteres Wort ging Allan hinaus, und eine bedrückende Stille senkte sich über den Raum.
»Es ist vorbei, mo aingeal «, flüsterte Duncan in Marions Haar hinein.
»Ich hatte solche Angst… Ich dachte, sie… sie würden mich…«
Sie brach in Tränen aus.
»Jetzt bin ich ja da. Ruh dich ein wenig aus. Ich werde dich wärmen; du bist ja ganz durchgefroren.«
Vorsichtig streckte er sich neben ihr aus und zog sie behutsam an sich, um ihr ein wenig von seiner Wärme abzugeben. Sie klapperte mit den Zähnen, und ihre Lippen hatten einen beunruhigenden Blauton angenommen. Sie schluchzte jetzt weniger heftig, und nach einiger Zeit hörte sie zu zittern auf. Sein Schuldgefühl machte Duncan das Herz schwer. Nur wenige Stunden waren seit seinem Gelöbnis verstrichen, und schon hatte er eines seiner Versprechen gebrochen: Es war ihm nicht gelungen, sie zu beschützen.
»Ich hätte dich nicht alleinlassen dürfen. Das wäre nicht
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