Lanze und Rose
taten die Jakobiten alles dafür, dies zu ändern. Sicherlich, der Schicksalsstein, auf dem der Monarch der Tradition nach bei seiner Krönung zu stehen hatte, war gestohlen und nach London gebracht worden, wo er seit 1275 unter dem englischen Thron ruhte. Doch Erde des Hügels von Moot Hill, wo die Krönungen stattgefunden hatten, würde den Zweck ebenso gut erfüllen.
Und so war der Aufstand zum Erliegen gekommen. Wenn Duncan die Bilanz der vergangenen Wochen zog, kam er zu einer bedrückenden Schlussfolgerung: Ihre Sache war verloren. Hier war nichts mehr zu machen.
Zerstreut strich er über die lange Narbe, die quer über seine Wange verlief und ihn unwiderruflich als Anhänger dieser Sache kennzeichnete. Sie schmerzte noch, wenn man sie berührte. Doch dank der wunderbaren Arbeit, die Marion geleistet hatte, würde sie in ein paar Jahren nur noch eine schmale, blasse Linie sein.
Er drehte sich zum Bett um, wo in den gräulichen Laken hier und da rosige Haut und feuerrote Locken auftauchten: Marion
schlief. Was sollte er jetzt anfangen? Guter Rat kommt über Nacht, hatte man ihm stets gesagt. Doch er zermarterte sich nun schon seit Stunden das Hirn und war immer noch nicht weitergekommen. Er wusste, dass er fortmusste. Aber was sollte er mit Marion anfangen? Sie hier zu lassen, war zu gefährlich. Gerüchte wollten wissen, dass die Ankunft der Truppen des Duke of Argyle unmittelbar bevorstand. Oder sollte er sie mitnehmen?
Am Tag nach ihrer Ankunft hatte er Alasdair Og aufgesucht. Letzterer hatte ihn über die neuesten Ereignisse ins Bild gesetzt, die ihn in Verzweiflung gestürzt hatten. Weniger als drei Tage nach Liams Aufbruch nach Inverness war Donald Hals über Kopf zurückgekehrt. Eine Abteilung Dragoner hatte ihre Gruppe angegriffen. Colin war angeschossen worden, und von seinem Vater und seiner Mutter hatte Donald im Sturm keine Spur mehr gefunden.
Rasch hatte er sich in die Wälder geflüchtet und war mehr als eine Stunde dort geblieben. Sobald er sich sicher gewesen war, dass die Dragoner abgezogen waren, war er auf die Straße, die verlassen dalag, zurückgekehrt. Die Fährten waren verschwunden gewesen, ebenso wie Liam, Caitlin und Colin. Ob die Engländer sie erwischt hatten? Donald bezweifelte das. Die Sassanachs hätten sich einen Spaß daraus gemacht, die Highlander zu töten, aber sie hätten sich sicherlich nicht die Mühe gemacht, die Leichen mitzunehmen. Und da Donald keine Spur von ihnen gefunden hatte, waren sie höchstwahrscheinlich am Leben.
Donald hatte noch zwei Stunden nach ihnen gesucht. Doch der Wind und der Schnee hatten das Unternehmen schwierig, ja gefährlich gemacht. Also hatte er sich auf einem Bauernhof in der Nähe ein Pferd »geliehen« und den Rückweg eingeschlagen. Sie mussten die Suche nach den dreien aufnehmen. Duncan würde noch vor der Mittagsstunde mit Donald und vier weiteren Männern des Clans in das Glenshee-Tal aufbrechen.
Der Lakenhaufen bewegte sich. Ein langer, graziler Arm tauchte daraus auf, streckte sich und fiel dann schlaff auf das Kopfkissen und die wilden Locken zurück. Der andere Arm tastete über die Bettseite, auf der Duncan gelegen hatte und die
inzwischen abgekühlt sein musste. Abrupt setzte Marion sich auf und blickte besorgt im Zimmer umher.
»Duncan?«, fragte sie mit heiserer Stimme.
»Hier.«
Sie wandte ihm ihr Gesicht zu und zog die Augen zusammen, um ihn in dem Halbdunkel, das noch in dem kleinen Zimmer in der Ropemaker’s Close herrschte, zu erkennen.
»Was machst du da?«
»Ich denke nach, mo aingeal .«
Einen Moment lang schwieg sie, dann klopfte sie auf den leeren Platz neben sich.
»Komm her! Mir ist kalt…«, sagte sie mit einem lüsternen Lächeln. »Wie machst du es nur, nackt in dieser Kälte zu stehen, die einem bis in die Knochen dringt?«
Duncan kletterte auf das Bett, nachdem er noch eine Schaufel Kohlen ins Feuer gegeben hatte.
»Mir ist nicht kalt.«
Sie schmiegte sich an ihn.
»Woran denkst du?«
In quälender Unentschlossenheit legte er die Stirn in Falten. Er drückte mit den Daumen auf seine geschlossenen, vom Schlafmangel geröteten Augenlider, rieb sie langsam und zog sie dann zu den Schläfen hin. Dann stieß er einen bedrückten Seufzer aus. Marion kniete sich hin und warf ihm einen besorgten Blick zu.
»Was hast du, Duncan?«
»Ich breche heute auf«, erklärte er knapp.
Langsam öffnete er die Augen und begegnete dem geheimnisvollen Blick seiner Frau, die ihn ansah. Katzenaugen. Schräg
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