Lanze und Rose
aufgehalten, an dem Tag, an dem wir Glenlyons Vieh haben mitgehen lassen? Und du hast uns nichts davon erzählt?«, erkundigte Allan sich vorwurfsvoll.
Duncan gab keine Antwort.
»Wolltest sie wohl für dich behalten, was, mein Alter?«, fuhr der andere fort und beäugte die langen Beine in den eng anliegenden Hosen der englischen Uniform. »Du hast versäumt, uns davon zu berichten… Und wie war es? Fergus sagt, die Campbell-Frauen hätten die seltsame Fähigkeit, einen Mann versagen zu lassen …«
»Das reicht, Allan!«, knurrte Duncan, verärgert über das unpassende Gerede seines Kameraden.
Die Frau warf Allan einen vernichtenden Blick zu und spuckte vor seinen Füßen aus. Zur Antwort versetzte dieser ihr eine schallende Ohrfeige. Ranald trat dazwischen.
»Nimm dich in Acht, Al!«
»Das Luder hat mich angespuckt, Herrgott! Und außerdem, was hat sie hier überhaupt zu suchen, als Sassanach verkleidet?«
Er stieß das arme Mädchen, das sich so verzweifelt wehrte wie der Teufel gegen das Weihwasser, brutal gegen einen Baum, drückte ihr mit einer Hand den Hals zu und nestelte mit der anderen an seinen Hosen herum.
»Bietest du deine Dienste vielleicht den Truppen des Duke an, meine Hübsche? Hmmm … Oder spionierst du für ihn?«
»Lass mich los, du Dreckskerl!«, stieß sie erstickt hervor. »Ich habe nichts mit dem Duke of Argyle zu schaffen.«
»Und du glaubst, das kaufe ich dir ab? Ich glaube keinem aus diesem Campbell-Natterngezücht ein Wort… Verstehst du, meine Eltern waren so naiv, und das hat sie das Leben gekostet.«
Er schnaubte vor Wut und starrte die junge Frau so durchdringend an, dass ihm beinahe die Augen aus den Höhlen traten.
Sein Sarkasmus war verflogen, und er packte ihren schmalen Hals fester. Sie stieß ein ersticktes Keuchen aus. Duncan fand, dass die ganze Geschichte langsam eine gefährliche Wendung nahm.
»Mach keinen Unsinn, Al. Es steht uns nicht zu, über ihr Schicksal zu entscheiden.«
»Willst du dich über mich lustig machen, Duncan? Seit dreiundzwanzig Jahren habe ich mir gelobt, einmal Rache an diesen Campbell-Hunden zu nehmen. Dreiundzwanzig Jahre lang habe ich auf diese Gelegenheit gewartet. Und meiner Treu, ich schwöre dir, dass es mir große Freude bereiten wird. Kommt gar nicht in Frage, dass ich sie loslasse. Tut mir leid, mein Alter. Und wenn ich mit dieser Schlange fertig bin, wird sie mich anflehen, ihr den Garaus zu machen…«
»Allan!«
Ranald tat einen Schritt auf seinem Kameraden zu, doch der fuhr herum und bedrohte ihn mit seinem Dolch. Duncan fühlte sich merkwürdig beklommen. Die junge Frau wimmerte und warf ihm angsterfüllte Blicke zu. Trotz des Hasses, den er auf den Clan der Campbells empfand, konnte er nicht zulassen, dass Allan über sie herfiel.
Ein beklemmendes Schweigen hatte sich über die Gruppe gesenkt. Allan drehte die Frau so herum, dass sie sich vor ihm befand, und setzte ihr den Dolch unter das Kinn. Trotzig starrte er die beiden Macdonald-Brüder an.
»Hast du dich an die Campbells verkauft, Duncan? Oder macht es mit dieser Frau so viel Spaß, dass du sie nicht mit deinen Freunden teilen willst?«
»Allan!«
»Keine Sorge, ich überlasse sie dir noch ein paar Minuten, bevor ich ihr die Kehle durchschneide.«
»Allan … Sie hat keine Schuld an dem Massaker. Gib sie frei, ehe du zu weit gehst«, riet Duncan ihm kühl.
Allan begann, auf beinahe komische Weise herumzufuchteln. Die Frau dagegen war jetzt vor Schrecken vollständig erstarrt. Eine falsche Bewegung, und sie würde sich sicherlich mit durchgeschnittener Kehle wiederfinden. Duncan warf seinem Bruder,
der ebenso angespannt war wie er, einen Blick zu. Allan mühte sich schimpfend mit den vergoldeten Knöpfen des Uniformrocks ab. Zwei hatte er schon geöffnet und riss nun wütend an dem scharlachroten Wollstoff, um auch die anderen zu sprengen.
»Verflucht nochmal! Kleider sind wirklich viel praktischer«, murrte er.
Ranald tat einen Schritt auf ihn zu, doch Duncan bedeutete ihm mit einem Blick, noch nichts zu unternehmen. Sie mussten Allan in dem Glauben wiegen, dass sie ihn nicht daran hindern würden, der Frau Gewalt anzutun. So würde er irgendwann seinem Dolch ablegen, um seine Hände anderweitig zu beschäftigen. Und in diesem Moment könnten sie eingreifen.
»Schön … Einverstanden, aber ramponiere sie nicht zu sehr, Al. Ich habe keine Lust, mir mein Hemd mit Campbell-Blut zu beflecken, denn ich kann es mir gerade eben leisten, es einmal pro Woche
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