Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
Vom Netzwerk:
einer Ziege gehört, die anschließend die ganze Gruppe gesättigt hatte.
    »Ich liebe dich, Marion.«
    Nein, ihm würde das nicht passieren. Niemals wäre er in der Lage, sie zu betrügen, ihr eine andere Frau vorzuziehen.

    Am fünften Tag unserer Reise ließ uns das schöne Wetter schnöde im Stich. Am Himmel zogen Wolken auf und drohten, uns mit ihrem Zorn zu überschütten, ihren Kummer über die Torheit der Menschheit über uns auszugießen. Womöglich würden wir bis auf die Knochen durchnässt werden. Für Liam bedeutete das die Gefahr eines Rückfalls. Ich wusste, dass er noch angeschlagen war, obwohl er sich große Mühe gab, seine Schwäche vor
mir zu verbergen. Nachts pfiff sein Atem immer noch, eine Nachwirkung seiner Krankheit. Und wenn er sich längere Zeit anstrengte, geriet er leicht ins Schnaufen.
    Nach der mühsamen Umgehung des Cairngorm erreichten wir endlich einen Außenposten der Zivilisation und konnten im schäbigen Stroh eines Schweinestalls nächtigen. Nur ein paar von Ungeziefer zerfressene Bretter trennten uns von den Pferden, die sich ihren Platz mit den Hühnern, ein paar Ziegen und einer Kuh teilten. Aber wenigstens waren wir vor den Elementen geschützt. Nach einem frugalen Frühstück aus geschmacklosem, klebrigem Haferbrei, den ich beim Essen lieber nicht allzu genau ansah, traten wir die letzte Etappe unserer Reise an. Je nachdem, wie sich das Wetter heute zeigte, würden wir spätestens bei Einbruch der Nacht die Tore von Inverness erreichen.
    Ich hatte bemerkt, dass die Männer aus dem Clan, die uns begleiteten, sich Marion gegenüber inzwischen anders verhielten. Seit der kleinen heiteren Episode um die Ziege versuchten sie, die junge Frau ins Gespräch zu ziehen und waren liebenswürdiger zu der Tochter des Mannes, den sie seit jeher als ihren geschworenen Feind betrachteten. Duncan, den ich mehrmals bei einem verstohlenen Lächeln ertappt hatte, schien das gut zu gefallen.
    Wir hatten soeben die enge Schlucht von Slochd Mor durchquert, und mein Magen beklagte sich verzweifelt. Ich hoffte, ihn mir bald in einem der kleinen Weiler, die sich an den Fuß der Hügel schmiegten, füllen zu können. Mit einem Mal tauchte ein paar Schritte vor uns auf der Straße wie aus dem Nichts ein Mann auf. Sein Blick war verstört, sein Bart- und Haupthaar struppig. Wie vom Donner gerührt blieb er stehen und sah uns verblüfft entgegen.
    Ein paar Augenblicke lang herrschte Totenstille. Ein Schwarm Raben flog dicht über den kahlen Grat hinweg und verschwand auf der anderen Seite des Hügels. Der Mann trug den scharlachroten Rock der Soldaten der Krone. Ein Ärmel war zerfetzt und der Rest ebenfalls ziemlich ramponiert. Seine weiße Flanellhose, die schon bessere Zeiten gesehen hatte, war mit getrockneten Blutflecken und Schlamm überzogen.

    »Ein Hurensohn von einem Sassanach !«, knurrte jemand hinter mir.
    Ich hörte das metallische Knirschen, mit dem langsam eine Waffe aus der Scheide gezogen wurde, und drehte den Kopf. Liam starrte den Deserteur wie gebannt an; unter seiner totenbleichen Haut zog sein Kiefer sich krampfartig zusammen. Bei dem Anblick bekam ich Gänsehaut.
    Der Mann, der inzwischen ausreichend Zeit gehabt hatte, die Kampfkraft von sechs bis an die Zähne bewaffneten Highlandern einzuschätzen, die ihm gegenüberstanden, wich langsam zurück. Zugleich griff er mit zitternder Hand nach seinem Dolch, offensichtlich die einzige Waffe, die er bei sich führte.
    Liams Pferd beschwerte sich und schnaubte unruhig. Sein Reiter hob furchterregend langsam und ohne zu zittern sein Schwert. Was stellte er da nur an? Der Soldat war keine Gefahr für uns.
    »Liam …,« murmelte ich besorgt.
    Er hörte mich nicht, wie geblendet von dem Rotrock, der sich jetzt zur Flucht anschickte. Die anderen wurden ebenfalls nervös. Ich spürte, wie mich ein ungutes Gefühl überkam.
    »Liam?«
    Dann stieg, so wie ein einschlagender Blitz, sein wilder Schrei über den Steilhängen auf und brachte den Boden zum Beben. Mir blieb fast das Herz stehen. Liam gab seinem Reittier so heftig die Sporen, dass es sich unter der Wucht aufbäumte, und sprengte im gestreckten Galopp davon. Ich sah gerade noch, wie sich die Züge des Soldaten entsetzt verzerrten, und dann nahm er schon die Beine in die Hand, um in die Wälder zu flüchten.
    »Was hat er bloß vor?«, rief ich erschrocken aus.
    Liam war vom Pferd gesprungen, das er auf der Straße zurückließ, und setzte dem schreienden Flüchtling jetzt zu Fuß

Weitere Kostenlose Bücher