Lanze und Rose
die Augen und sog die Nachtluft und den Duft der jungen Frau ein. In der frischen Brise, die jetzt, Anfang Oktober, wehte, umstrich Marions rotes, seidiges Haar seine Wangen und seinen Hals und schien ihn wie mit Flammen zu verbrennen. Nimm dich zusammen , schalt er sich. Vor ihm bewegte sie ein wenig die Hüften, um sich zurechtzusetzen, und streifte unbewusst … oder bewusst seinen Körper. Er fühlte sich noch beklommener, und unreine Gedanken huschten ihm durch den Kopf.
»Warum tust du das?«, fragte er ohne Vorrede, um sich von seinen aufstörenden Fantasien abzulenken.
»Was?«, fragte sie und richtete sich kerzengerade auf.
»Die Informationen… Für Breadalbane.«
Es dauerte ein wenig, bis sie antwortete. Wieder bewegte sich ihr graziler Körper zwischen seinen Schenkeln, die sich anspannten.
»Ich weiß es nicht«, murmelte sie schließlich. »Für meinen Vater, für meinen Clan … Und um meiner selbst willen.«
»Für deinen Vater?«
»Mein Vater versucht zurückzukaufen, was der seinige beim Würfeln und Kartenspielen verschleudert hat. Einige Ländereien haben wir dank eines Arrangements mit dem Duke of Atholl, in dessen Besitz sie sich befinden, zurückerhalten.
Aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was wir verloren haben.«
»Eure Loyalität gegenüber dem Prätendenten liegt also einfach in einer Vereinbarung begründet?«
»So würde ich das nicht ausdrücken.«
Sie drehte sich leicht zur Seite, um über den Loch hinauszusehen, der unter einer Myriade von Sternen glitzerte. Duncan betrachtete das Profil mit den schmalen Wangen und dem energischen Kinn, das sich ihm bot. Marions volle Lippen verzogen sich verbittert. Dann sprach sie mit leiser Stimme weiter.
»Vielleicht möchten wir uns ja von einem schweren Erbe befreien, indem wir unser Blut für Schottland hergeben.«
»Du oder Breadalbane?«
»Mein Vater und ich«, erklärte sie mit leicht überheblichem Unterton. »Breadalbane wird der Mann bleiben, der er immer gewesen ist. Für ihn ist es zu spät, der Tod streckt bereits die Hand nach ihm aus. Der Machthunger hat sein Highlander-Blut verdorben, übrigens genau wie bei Argyle. In gewisser Weise ist das schon sehr komisch, denn der Name Argyle rührt von Oirer Ghaideal her, was ›gälische Küste‹ bedeutet. Aber ich frage mich oft, ob er noch einen einzigen Tropfen keltischen Blutes in seinen Adern hat.«
»Ich darf dich darauf aufmerksam machen, dass er der oberste Anführer deines Clans ist und du seinen Namen trägst«, versetzte Duncan spitz.
Angesichts der kaum verhüllten Beleidigung zuckte sie zusammen.
»Chan àicheidh mi f ′fhùil Ghàidhealach gu sìorruidh bràth! Niemals werde ich mein gälisches Blut verleugnen! Ich bin eine Campbell von Glenlyon , Macdonald, und das werde ich bleiben.«
Er stieß ein kurzes, spöttisches Lachen aus.
»Bei deiner scharfen Zunge, Weib, könntest du auch gar nichts anderes sein.«
Sie stieß ihm mit dem Ellbogen in die Rippen und reckte die Schultern. Er lächelte in ihr duftendes Haar hinein.
»Und von welchem Erbe wollt ihr euch befreien, dein Vater und du?«
Sie quittierte seine Frage mit bedrücktem Schweigen.
»Könnte es etwas mit deinem Großvater zu tun haben, Robert Campbell?«
»Ja. Obwohl ich ihn nie gekannt habe. Er ist in Flandern gestorben, vor meiner Geburt.«
»Er wird wohl in seinem Whisky ertrunken sein.«
»Was weißt du denn schon von ihm, Macdonald, dass du dir anmaßt, über ihn zu urteilen?«
»Genug, um mir eine Meinung zu bilden, Marion Campbell. Ich weiß, dass sein Hirn nur noch ein mit Alkohol vollgesogener Schwamm war. Und ich weiß auch, dass seine Männer meinen Großvater, meine Tante, die erste Frau meines Vaters und meinen Halbbruder getötet haben.«
»Das … das tut mir leid.«
Bei der Erinnerung an das Massaker an seiner Familie biss Duncan die Zähne zusammen. Sein Vater hatte ihm eines Tages alles erzählt. Nur ein einziges Mal, und dann hatte er nie wieder darüber gesprochen. Doch das hatte ausgereicht; die Worte hatten sich in sein Gedächtnis und sein Herz eingebrannt wie mit einem glühenden Eisen. Er wusste, dass ihn die Toten bei Nacht aufsuchten. Er hatte das Massaker durch ihre entsetzten Augen gesehen. Die höllischen Bilder hatten ganz deutlich hinter seinen geschlossenen Augenlidern gestanden und ließen ihn noch immer erzittern.
»Du bist nicht verantwortlich für das, was dein Großvater getan haben mag«, murmelte er, selbst erstaunt über die Worte, die
Weitere Kostenlose Bücher