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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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ihm entschlüpft waren.
    »Ich weiß … Aber ich trage dennoch die Last dieser Ereignisse. Das ist das Erbe, das er uns hinterlassen hat. Der Bann von Glencoe, dem verfluchten Tal.«
    Zweifelnd zog Duncan seine Augenbrauen hoch. Er hatte gehört, angeblich seien einige Campbells von diesem so genannten Fluch von Glencoe getroffen worden. Aber er hatte darin nur eine Provokation gesehen, einen Spott über die Macdonalds. Die Alten erzählten, eine bean-sith , eine Fee oder weise Frau ihres Clans, die das zweite Gesicht besaß, hätte die Campbells am Morgen jenes schicksalhaften 13. Februar 1692 verflucht. Duncan
hatte dieser Geschichte nie große Aufmerksamkeit geschenkt; sie hatte ihn nur am Rande interessiert, so wie die Legende über das Wasserpferd, das angeblich im Loch Achtriochtan lebte. Das waren Aberglaube und Märchen. Hatte nicht jeder Clan seine Geschichten, die man sich am Kaminfeuer erzählte? Er fand sie unterhaltsam, doch er schenkte ihnen keinen Glauben. Indes …
    »Das Massaker an den ›Galgenvögeln‹ 12 liegt euch so sehr auf der Seele? Du hast mir doch erst kürzlich, und, wie ich sagen muss, mit äußerst drastischen Worten klargemacht, dass wir nur eine Bande von schmutzigen Dieben und Mördern seien.«
    Sie verrenkte sich fast, um sich zu ihm umzuwenden, ohne ihn zu berühren, und sah ihn kalt an.
    »Und das stimmt ja auch! Du bist nichts als ein dreckiger Viehdieb. In Chesthill habe ich schon mehr als einmal Männer von deiner Sorte an unseren Bäumen hängen sehen. Aber das ist schließlich die Gefahr, die ihr eingeht, wenn ihr Raubzüge auf unser Land durchführt, oder?«
    Duncan lächelte und legte instinktiv schützend die Hand über seinen Schritt.
    »Du weißt, dass ich sogar Schlimmeres riskiert habe«, flüsterte er Marion dann ins Ohr.
    Sie errötete heftig, wandte sich ab und sprach in bedrücktem Ton weiter.
    »Aber trotz allem ist das keine Entschuldigung für das, was mein Großvater Robert getan hat …«
    Duncans Miene wurde wieder ernst. Ob es wohl möglich war, eine Brücke über den Fluss aus Blut zu bauen, der Glencoe und Glenlyon trennte? Eine Brücke zwischen ihr und ihm? Ganz vorsichtig legte er eine Hand um ihre Taille, aber sie erstarrte.
    »Pfoten weg, Macdonald.«
    Eines Tages vielleicht, aber im Moment noch nicht, verbesserte er sich selbst und zog eilig seine vorwitzige Hand zurück.
Die Männer von Glencoe saßen in Gruppen um ihre Lagerfeuer und teilten gebratenes Fleisch und Whisky, und köstliche Düfte stiegen auf.
    Marion hatte sich unter einen Ginsterbusch geflüchtet und versuchte, sich inmitten dieses Meers von Männern, die den feindlichen Tartan trugen und in deren Adern immer mehr Branntwein floss, so klein wie möglich zu machen.
    Die junge Frau konnte sich eines angewiderten Schauders nicht erwehren, als sie erneut an den Überfall dachte, dem sie dank Duncan Macdonald mit knapper Not entgangen war. Er hatte sie mit Respekt behandelt und ihr das Schlimmste erspart, indem er dafür gesorgt hatte, dass sie unauffällig ins Lager kam. Gewiss, einige neugierige Blicke hatten sie gestreift. Aber ihre Männerkleidung hatte die Soldaten getäuscht, die sie wahrscheinlich für den erwarteten Kurier aus Perth gehalten hatten.
    Nun wartete sie schon eine ganze Weile im Schatten des Busches. Ohne den Uniformrock aus dickem Wollstoff, den man ihr weggenommen hatte, zitterte sie in der kalten Herbstluft. Nein, trotz seines rücksichtsvollen Verhaltens durfte sie sich nicht erlauben, diesem Macdonald zu vertrauen. Er war ein Mann aus Glencoe, ein Bandit, der das Vieh ihres Clans stahl, kaum dass die ihrigen den Herden den Rücken gekehrt hatten. Es waren Männer wie er gewesen, die ihre beiden Cousins getötet hatten; Hugh vor zehn Jahren und Ewen noch einmal ein Dutzend Jahre zuvor.
    Gewiss, es hieß, Ewen sei nur ein Lump gewesen und sein unrühmliches Ende nur von Vorteil für den Clan von Glenlyon. Ewen hatte kurz davor gestanden, die Bestrafung durch Feuer und Schwert über sie alle zu bringen. Aber bei Hugh war die Sache anders gewesen. Er hatte den Tod gefunden, als er in Begleitung seines Bruders John von Fort William zurückkehrte, um seinem Vater eine Nachricht vom Gouverneur von Lochaber, Brigadier Maitland, zu überbringen. Als sie den gefährlichen Weg hinuntergestiegen waren, den man die Teufelsleiter nannte und der am Eingang des verfluchten Tals mündete, waren die beiden Reiter einer Bande von Macdonalds begegnet, die von einem Raubzug nach

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