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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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fast in dem Tartan unter, den sie mit verkrampften Fingern knetete. Glenlyons Gesicht verzerrte sich vor Wut.
    »Dieser Bastard! Wie kann er es wagen, sich meiner Tochter zu bedienen? Wie? Dieser Despot gibt sich nicht damit zufrieden, mir vor meinesgleichen mein Verhalten zu diktieren, sondern er will auch noch meine Tochter erniedrigen und zu einer … einer …«

    Er sprach den Satz nicht zu Ende, und die schrecklichen Worte blieben in seiner Kehle stecken. Doch Marion hatte erraten, was er hatte sagen wollen.
    »Du glaubst, dass … dass ich die Hure spiele, um meine Informationen zu beschaffen? Ist das alles, was du von mir hältst? Hast du kein Vertrauen zu deiner Tochter, die Blut von deinem Blut und Fleisch von deinem Fleisch ist?«
    Von einem Moment zum anderen war ihr das Blut ins Gesicht geschossen.
    »Ich habe nichts dergleichen angedeutet.«
    »Und ob!«, kreischte sie und ließ wutentbrannt den zerknitterten Stoff seines Plaids fahren. »Das war wohl deutlich genug!«
    Eine Bewegung auf dem gegenüberliegenden Hügel unterbrach sie, und einige aufmunternde Worte, die Fanab seinen Männern zuschrie, drangen bis zu ihnen. Die scharlachrote Flut rollte auf sie zu. Fanab hatte seine Soldaten in Marsch gesetzt und brachte seine Truppen in Stellung. Die Männer von Glenlyon wurden unruhig. Der Zorn auf Marions Zügen wich blankem Entsetzen.
    »Oh nein!«, rief sie aus und schlug die zitternde Hand vor ihre bleichen Lippen. »Denk nach, Vater. Wir müssen dem Einhalt gebieten, bevor es zu spät ist. Ich flehe dich an, verhindere dieses Gemetzel.«
    Der Mann ließ erneut den Kopf auf die Brust sinken. Mit geschlossenen Augen seufzte er. Dann warf er seiner Tochter einen letzten Blick zu und gab seinem gewaltigen Schecken die Sporen, um zu seinem Regiment zurückzukehren. Duncan legte die wenigen Schritte zurück, die ihn von Marion trennten, und umfasste ihre zitternden Schultern. Beide beobachteten in bedrücktem Schweigen, wie der Captain heftig gestikulierend auf seine Lieutenants einredete. Schließlich zog er ein Taschentuch heraus, band es an den Lauf seiner Muskete und schwenkte sie über dem Kopf.
    »Cruachan!«
    Der Laird von Glenlyon galoppierte allein den Abhang hinunter und ritt Colonel Campbell Fanab entgegen. Ein zweites
weißes Taschentuch tauchte auf, auf die Klinge eines Bajonetts gespießt. Mitten auf der Heide trafen die beiden Männer zusammen.
    Marions Schultern entspannten sich ein wenig. Immer noch rollte der Donner, und ein feiner Nieselregen begann sie zu durchnässen. Die Verhandlungen zwischen den beiden Seiten währten noch einige Minuten. Dann gingen die beiden Anführer auseinander. Sie waren zu einer Übereinkunft gelangt. Unter der Bedingung, dass seine Männer Argyle ohne Probleme verlassen konnten, erklärte sich Glenlyon bereit, die Waffen niederzulegen und die Campbells von Fanab zu verschonen. Freudenrufe klangen auf beiden Seiten auf und hallten im ganzen Tal wider. Die Männer gehörten zwar nicht zum selben Lager, doch es war nichts Ruhmreiches daran, das Blut von Landsleuten zu vergießen. Das Schlimmste war verhindert worden. Geiseln wurden ausgetauscht, um die Einhaltung des Abkommens zu gewährleisten. Dann setzten die beiden Regimenter sichinentgegengesetzte Richtungen in Marsch. Endlich wich der ganze Druck von Marion, und sie begann an Duncans Schulter leise zu weinen.

    Wasser sickerte an den Wänden der Höhle herunter, in der sie Zuflucht gesucht hatten. Duncan hatte sich an den Eingang gesetzt und wandte Marion, die sich wieder ankleidete, den Rücken zu. Seit mehr als zwei Stunden rauschte ein sintflutartiger Regen herab. Ein Feuer versuchte schüchtern, die feuchte Luft zu erwärmen. Marion hatte ihre durchnässte Kleidung zum Trocknen ausgelegt und sich währenddessen schlotternd unter das Plaid geflüchtet.
    »Du kannst dich wieder umdrehen.«
    Doch Duncan wandte sich nicht um. Lieber wollte er noch ein Weilchen von den Bildern eines zitternden Frauenkörpers träumen, dem Schwung einer Hüfte, der Rundung einer Brust, der Form einer Wade; dem huschenden Schatten, den der Schein des Feuers an eine Felswand warf. Ein schamloser, sinnlicher und anmutiger Schatten, dem er mit Leichtigkeit noch Gesichtszüge, Haarfarbe und die Tönung der Haut verleihen konnte. Vor
seinen geschlossenen Augen sah er Marion so, wie er sie mit Sicherheit erblickt hätte, hätte er sich nur ein wenig früher umgedreht. Denn er hatte ihren Schatten gesehen und aus dem Augenwinkel

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