Lanze und Rose
beobachtet, während sie vor dem Feuer ihre Kleidung anlegte, nicht ahnend, dass sie ihn auf so sündige Gedanken gebracht hatte.
Seufzend drehte er sich schließlich um. Sie hatte sich in der entferntesten Ecke der Höhle zusammengekauert, und die Klinge ihres kleinen Sgian dhu glitzerte zu ihren Füßen. A Mhórag, m′aingeal dhiabhluidh, dachte er. Ach, Marion, mein teuflischer Engel. Du tätest besser daran, mit dem Dolch in der Hand zu schlafen.
Sie würden die Nacht gemeinsam in dieser verrauchten, feuchten Höhle verbringen müssen. Niemals würde er Schlaf finden, wenn er sie so nahe, so verwundbar bei sich wusste. Er konnte ihren lauten, raschen Atem hören. Die junge Frau war unruhig; gewiss erriet sie seine Gedanken. Die Zeit für Vertraulichkeiten war vorüber. Die erzwungene Nähe in dem engen Raum ihrer Zuflucht hatte die Feindschaft zwischen ihnen wiederauferstehen lassen. Ihre Blicke trafen sich. In Marions Augen tanzten die Reflexe der Flammen wie winzige, bezaubernde und bösartige bean-siths und ließen sie wie zwei glühende Kohlen in einem illuminierten, herzförmigen Gesicht erscheinen.
Ihre langen, zarten Finger rückten dicht an den Griff ihrer Waffe heran. Duncan hielt es für klüger, einen achtbaren Abstand zwischen ihnen beiden zu wahren. Er zwang sich, an Elspeth zu denken, und setzte sich auf die andere Seite des Feuers, das ihn von Marion trennte, diesem verführerischen Wesen, das seinen Körper aufreizte. Angestrengt sah er in die Flammen, Sinnbild der Hölle, durch die sie ihn unabsichtlich schickte.
Das Gewitter ließ nach; nur gelegentlich erhellte noch der bläuliche Schein der Blitze ihren Zufluchtsort, über den sich die Stille der Nacht gebreitet hatte. Marion zog die Beine an und legte das Kinn auf die Knie.
»Dein Vater will, dass du sofort nach Chesthill zurückkehrst«, erklärte Duncan, um das Schweigen zu durchbrechen, das zäh zu werden begann.
»Ich weiß«, antwortete sie und sah ebenfalls starr in die Flammen.
Eine lange, feuchte Haarsträhne fiel ihr vor die Augen. Sie strich sie mit dem Handrücken zurück.
»Ich werde aber nicht gehen.«
»Glenlyon hat mir gedroht. Er vertraut mir …«
Sie blickte auf und stieß ein leises Lachen aus, das wie das Gurren einer Taube klang. Ihre Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln und enthüllten eine makellos weiße Zahnreihe.
»Mein Vater vertraut dir nicht, Macdonald. Er hatte nur einfach keine andere Wahl. Schließlich konnte er mich nicht mitnehmen, und er hatte keine Zeit, mich nach Glenlyon zurückzubringen. Wenn er jemandem vertraut, dann mir.«
Gekränkt presste Duncan die Lippen zusammen; doch nachdem er einen Moment lang nachgedacht hatte, verzog er den Mund zu einem spöttischen Lächeln.
»Gehorcht er dir eigentlich immer so aufs Wort? Sollte der Laird von Glenlyon nichts als eine Marionette in den Händen seiner Tochter sein?«
Marion presste verächtlich den Mund zusammen, dann neigte sie den Kopf leicht zur Seite und warf ihm einen eisigen Blick zu.
Duncan grinste über das ganze, kräftige Gesicht. Der junge Mann brach in lautes Gelächter aus und fuhr mit der Hand durch sein langes, tiefschwarzes Haar. Ihm entging nicht, dass Marions Finger sich um den Griff des Dolchs schlossen.
»Wahrscheinlich kommt er schon vor Sorge um und bedauert sehr, dass er keinen Mann aus seinem Regiment geschickt hat, um dich zu begleiten.«
»Mir war nicht daran gelegen, einen seiner Männer als Eskorte zu haben«, murrte sie. »Ich muss mich nach Finlarig begeben, um Breadalbane Bericht zu erstatten. Doch das braucht mein Vater nicht zu wissen. Bis er wieder einen Fuß nach Glenlyon setzt, bin ich längst zurück. Und außerdem komme ich sehr gut allein zurecht, glaube mir. Seit ich reiten gelernt habe, bin ich ständig in diesem Teil des Landes unterwegs. Ich brauche deinen Schutz nicht, Macdonald, er ist mir sogar lästig. Und vergiss
nicht, dass wir Feinde sind, ganz gleich, was heute Nachmittag geschehen ist und was du möglicherweise darüber denkst.«
Wie um ihre Worte zu unterstreichen, kratzte die Spitze des Dolchs über den Fels.
»Schön, dann lass mich jetzt ebenfalls einiges klarstellen«, fiel Duncan ein. »Man hat mich mit deinem Schutz beauftragt. Ob du ihn nützlich findest oder nicht, ist mir herzlich gleichgültig. Allerdings hätte ich jetzt Gelegenheit, mich schadlos dafür zu halten …«
Er behielt die glitzernde Klinge im Auge, denn er war sich bewusst, dass sie nicht zögern
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