Lanze und Rose
Umschlagtuch verhüllt wurden. Ein Häubchen aus gestärkter französischer Spitze bedeckte ihr Haar, das oben auf ihrem Kopf zu einer glatten Frisur aufgesteckt war. Ein paar widerspenstige Locken hingen herunter und gaben einen hübschen Rahmen für ihr wunderschönes Gesicht ab, das nur aus riesigen grünen Augen und einem kirschroten, herzförmigen Mund zu bestehen schien.
»Liebste Sàra!«, rief die Fremde aus und umarmte meine Schwägerin überschwänglich. »Ich habe die schreckliche Nachricht gerade eben erst vernommen, und ich bin vollkommen niedergeschmettert!«
Lächelnd wandte sie sich zu mir um und musterte mich neugierig. Ich sah sie ebenso an. Sàra, die auf wundersame Weise aus ihrer Erstarrung erwacht war, ergriff schließlich das Wort.
»Clementine, lass dir Caitlin vorstellen, die Frau meines Bruders Liam und Patricks Schwester.«
»Sehr erfreut.«
»Sie ist soeben aus Glencoe eingetroffen«, fuhr meine Schwägerin fort. »Sie will mir helfen, Patrick aus dem Gefängnis zu holen.«
»Oh, Sàra! Wenn ich nur früher davon erfahren hätte, wäre ich sofort gekommen, um dir meine Hilfe anzubieten, aber …«
Sie warf mir einen vorsichtigen Blick zu und wirkte ratlos.
»Schon gut, Clementine. Vor Caitlin kannst du offen sprechen.«
Die hübsche junge Frau zuckte die Achseln. »Natürlich hat es niemand für nötig gehalten, mir davon zu berichten«, meinte sie in scherzhaftem Ton.
»Wie geht es deiner Mutter?«, fragte meine Schwägerin und wies auf einen Sessel.
»Ach …«
Vorsichtig nahm sie Platz und glättete um sich herum die Falten ihres Kleides, dann faltete sie die kleinen, molligen, weißen und sorgfältig gepflegten Hände auf den Knien.
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie den Winter nicht überleben wird.«
Seufzend betrachtete sie ihre Fingernägel.
»Das Leben hat ihr nichts geschenkt, weißt du. Der Marquess war so freundlich, seinen Leibarzt an ihr Krankenbett zu schicken. Er hat sie einige Male zur Ader gelassen und ihr ein Klistier sowie ein Abführmittel verabreicht. Aber tief in meinem Herzen weiß ich, dass er nichts mehr gegen das Übel ausrichten kann, das sie von innen heraus zerfrisst. Mutter kämpft nicht mehr dagegen an. Der Tod wird eine Erlösung für sie sein; sie leidet so furchtbar.«
Ihr schönes Gesicht verdüsterte sich.
»Das tut mir aufrichtig leid, Clementine«, sagte Sàra.
»Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass die letzten Jahre ihres Lebens weniger mühsam für sie gewesen sind. Von dem Geld, das ich ihr schicke, kann sie sich ein hübsches, kleines Cottage am Earn-Fluss mieten und ein Hausmädchen bezahlen.«
»Weiß deine Mutter von dem Marquess?«
Clementine hob eine Augenbraue und verzog unsicher den Mund.
»Ich habe keine Ahnung, vielleicht… Jedenfalls habe ich ihr nie davon erzählt.«
Sie wedelte mit der Hand, dass ihre Spitzenmanschetten nur so flogen. Dann fuhr sie in ernsterem Tonfall fort.
»Nun lasst uns aber von Patrick sprechen! So weit man mir berichtet hat, ist er in der Festung gefangen.«
»Ja«, bestätigte Sàra niedergeschlagen und ließ sich wieder in ihren Sessel fallen. »Ich bin verzweifelt, Clementine.«
Die hübsche Brünette setzte eine besorgte Miene auf und krauste gedankenverloren die Nase.
»Ich habe da einen Freund …«, meinte sie dann ein wenig verlegen. »Vielleicht könnte er uns von Nutzen sein.«
Sàra reckte die Schultern und zog interessiert eine Augenbraue hoch.
»Wer ist es?«
»Lord Thomas Minshaw. Er ist Mitglied des Oberhauses in London. Seit vier Tagen hält er sich in Edinburgh auf und befindet sich auf der Suche nach Zerstreuungen, also …«
»Also?«, hakte meine Schwägerin nach.
»Ich könnte ein kleines Dinner arrangieren und einige seiner Freunde einladen, die Zutritt zur Festung haben. Wie wäre es zum Beispiel mit… Lieutenant-Colonel Stuart?«
Sàra riss Mund und Augen auf und warf mir einen verblüfften Blick zu.
»Dem Gouverneur der Festung? Caitlin, das ist unser Schlüssel, um dort hineinzukommen!«
»Habt ihr einen Plan?«, erkundigte sich Clementine und streckte begierig eine Hand nach den Kuchen aus.
»Bis jetzt nur eine vage Vorstellung«, fuhr Sàra fort und trommelte mit den Fingern unruhig auf ihrem Schenkel herum. »Patrick ist schwer verletzt. Doktor Arthur ist bereit, uns zu helfen, aber so einfach kommt man nicht in den Kerker des Schlosses hinein.«
»Ebenso schwer, wie es ist, wieder herauszukommen«, setzte Clementine hinzu und erhob
Weitere Kostenlose Bücher