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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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mussten sie sich damit abfinden, ihn zurückzulassen.«
    »Die Bastarde!«
    Ich setzte meine Tasse so heftig auf dem Tablett ab, dass das Porzellan klirrte, sprang auf und trat zum Fenster. Ein Wald von Schornsteinen spie dicke Wolken aus schwarzem Ruß aus, die
sich wieder auf die Stadt und ihre Einwohner senkten. Ironischerweise stand Patricks Haus direkt unterhalb des Felsens von Castle Rock, auf dem sich die Festung befand und in dessen Granit die Kerkerzellen gehauen waren. Das Mietshaus wurde Blackstone′s Land genannt und gehörte einem reichen schottischen Kaufmann, der nach Amerika ausgewandert war und dort sein Glück gemacht hatte. Das schmale Gebäude besaß sechs Etagen, von denen Patrick und Sàra die beiden unteren bewohnten.
    »Ihr müsst doch Freunde haben, Bekannte, die ihm helfen könnten, oder? Und mein Bruder Matthew?«
    »Matthew stellt ebenfalls Nachforschungen an. Seit dem fehlgeschlagenen Angriff patrouilliert die Garde in der Stadt. Die Anhänger des Prätendenten ziehen den Kopf ein, weil sie Angst haben, ergriffen zu werden.«
    »Du musst doch auch jemanden kennen, der nicht zu seinen Anhängern gehört«, beharrte ich und wandte mich wieder zu ihr um.
    Sàra hatte sich mit hochgezogenen Beinen auf ihrem Sessel zusammengekauert, die Arme um die Knie geschlungen und das Kinn daraufgelegt. Leeren Blickes starrte sie vor sich hin.
    »Ich weiß nicht …«
    Sie runzelte ihre feinen Augenbrauen und dachte nach, wobei sie sich auf die Lippen biss. Ihr zerzaustes Haar hing traurig über ihr vollständig zerknittertes Nachthemd. Ich fragte mich, ob sie wohl glücklich mit meinem Bruder war. An ihrer Liebe zu ihm zweifelte ich nicht; davon zeugte schon ihre Verzweiflung. Doch seit sie vier Fehlgeburten hintereinander erlitten hatte, kam sie mir immer bedrückter und distanzierter vor. Sàra, die ich vor überbordender Energie brodelnd kennen gelernt hatte, ließ sich jetzt gleichsam von der Strömung des Lebens dahintragen, ohne gegen die Strudel anzukämpfen. Immer wieder ging sie unter und kam ein Stück weiter erneut an die Oberfläche, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, einen festen Halt zu ergreifen, um nicht erneut zu versinken. Eines Tages wird sie nicht wieder hochkommen , dachte ich traurig. Patrick muss sich mehr um sie kümmern, wenn er diese Geschichte übersteht . Er widmete
sich seiner Sache überaus eifrig und vergaß darüber oft, dass er verheiratet war.
    Ich musste die Dinge in die Hand nehmen. In dem Zustand, in dem Sàra sich momentan befand, würde sie das allein niemals schaffen. Aber ich brauchte ihre Hilfe. Doktor Arthur war ein guter Anfang; wir mussten eine Möglichkeit finden, ihn auf das Gelände des Schlosses zu bringen.
    Ein leises Kratzen riss mich aus meinen Überlegungen. Rosie steckte die Nase durch den Türspalt.
    »Da ist eine Dame, die Euch sehen will, Madam. Ich habe ihr gesagt, dass Ihr niemanden empfangt, doch sie lässt sich nicht abweisen.«
    »Wer ist es, Rosie?«
    »Lady Stratton.«
    »Clementine? Dann führe sie doch nach oben, Rosie!«
    Die Köchin runzelte die Stirn und schaute sich missbilligend im Zimmer um.
    »In dieses Tohuwabohu, Madam? Das schickt sich aber nicht!«
    Sàra brach in ihr heiseres Lachen aus, das, da war ich sicher, bis in die kleine Eingangshalle schallen musste, wo die Besucherin wartete. Sie sprang auf und stellte sich vor Rosie hin, die sie mit spitzer Miene musterte.
    »Dann hast du wohl noch nie Lady Strattons Gemächer besucht, meine teure Rosie. Und ich versichere dir, dass sie an meinem Aufzug keinen Anstoß nehmen wird.«
    Rosie warf ihrer Herrin einen ungehaltenen Blick zu und schloss die Tür hinter sich.
    »Die arme Rosie!«, prustete Sàra und griff nach dem Unterrock, um hineinzuschlüpfen. »Sie ist so gut zu mir, aber sie kann manchmal auch schrecklich engstirnig sein!«
    Ich half ihr, ihren Unterrock zu befestigen, während sie ihre Strümpfe anzog. Gerade, als ich ihr Kleid fertig zugeschnürt hatte, öffnete sich die Tür, und eine bezaubernde kleine Brünette stürzte unter einem seidigem Rascheln von Stoffen und Spitzen herein.
    Lady Stratton zog ihre Glacéhandschuhe aus und legte sie zusammen mit ihrem Cape auf die Rückenlehne eines Kanapees.
Ihr Contuche -Kleid 18 aus Kattunstoff, der cremefarbene Blumen auf einem blassrosa Hintergrund zeigte, schmiegte sich eng an ihre üppigen Formen, die wirkten, als wollten sie dem fest geschnürten Mieder entkommen, und nur von einem fast transparenten

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