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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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mich war sie einfach Clementine, um jeglicher Verwirrung vorzubeugen. Ihre Wohnung lag nach Castlehill hinaus, dem makaberen Schauplatz früherer Hexenverbrennungen, und bot einen unverstellten Ausblick auf die Festung.
    Hinter einem kleinen Berg aus zerknittertem Papier erscholl ein wütender Schrei. Zum tausendsten Mal zerknüllte Sàra ein Blatt feines Velinpapier und zerriss es. Seit einer Stunde bemühte sie sich erbittert, das Schreiben zu fälschen.
    »Das schaffe ich nie!«, schrie sie aufgebracht, holte weit aus und schleuderte die Kugel von sich.
    »Ruhe dich ein paar Minuten aus«, schlug Clementine vor und streckte genüsslich die Beine auf dem kleinen, mit blauer Seide bezogenen Kanapee aus, auf dem sie lag.
    Sàra warf ihr einen finsteren Blick zu und legte dann mit einer knappen Bewegung ein frisches Blatt vor sich hin, wobei sie unflätige Verwünschungen auf Gälisch murmelte.
    »Ich muss es schaffen. Oh, heilige Muttergottes!«, fluchte sie und tauchte die Feder in das Tintenfass.
    Ich hob ihren letzten Versuch auf und strich das Blatt auseinander, um mir einen Eindruck von ihren Fortschritten zu verschaffen.
    »Aber Sàra! Dieser Brief ist doch sehr gut gelungen! Warum hast du ihn weggeworfen?«
    »Nicht gut genug für mich.«
    Hilflos zuckte Clementine die Achseln, dann erhob sie sich widerwillig von ihrem kleinen, weichen Nest und trat zu einer Konsole aus Rosenholz, die mit fein gearbeiteten Bronzefiguren geschmückt war. Sie nahm eine Karaffe mit Portwein und schenkte drei Gläser ein.
    »Ich ordne eine Pause an, meine Teure.«
    Ein Glas stellte sie auf die noch unberührte Seite, die vor Sàra lag. Dann nahm sie mir den zerknitterten Brief, den ich immer noch in der Hand hielt, ab und drückte mir ein zweites zwischen die Finger. Sie machte sich daran, die Schrift des Gouverneurs mit Sàras Nachahmung zu vergleichen.

    »Niemand wird das Geringste merken, meine Liebe«, meinte sie, angenehm überrascht von den Fortschritten, die meine Schwägerin gemacht hatte. »Der nächste Brief wird gewiss der richtige sein.«
    »Bleibt noch das Problem mit dem Siegel«, merkte ich an und sah mich neugierig in dem kleinen Reich der jungen Kurtisane um.
    »Ja, das Siegel …«, sagte sie und wandte sich mir zu. »Daran hatte ich gar nicht gedacht, bis der Adjutant des Lieutenant-Colonel mir die Antwort auf die Einladung brachte, die ich ihm geschickt hatte. Das könnte in der Tat ein… Problem darstellen. Aber für jedes Problem gibt es eine Lösung, nicht wahr?«
    Zerstreut betrachtete ich eine herrliche emaillierte Metallschatulle, die mit der Darstellung eines Mannes und einer Frau in einer ziemlich … eindeutigen Stellung geschmückt war.
    »Und Ihr habt darüber nachgedacht?«
    »Ein wenig, ja.«
    Ich strich mit dem Finger über die kühle, glatte Oberfläche des Deckels. Clementine trat zu mir und sprach über meine Schulter hinweg weiter.
    »Ich hatte überlegt, das Siegel aus dem Arbeitszimmer des Gouverneurs zu entwenden. Aber dann habe ich erfahren, dass er es immer bei sich trägt.«
    »Bei sich?«, fragte ich erstaunt.
    »Als Siegelring.«
    »Oh! Wie sollen wir es dann fertigbringen, es ihm wegzunehmen?«
    Verschmitzt lächelte sie mir zu.
    »Es gibt einen Weg, aber ich bezweifle, dass er Euch erfreuen wird.«
    Ich überlegte einen Moment lang und setzte dann eine schockierte Miene auf.
    »Also nein, nicht das!«, rief ich entsetzt, denn ich verstand mit einem Mal, worauf sie hinauswollte. »Es muss doch noch eine andere Möglichkeit geben, oder?«
    »Ich würde es ja selbst tun, Caitlin, aber ich habe Lord Minshaw versprochen … Und was Sàra angeht …«

    Sie wandte sich meiner Schwägerin zu, die sie sprachlos und mit offenem Mund anstarrte.
    »Der Gouverneur weiß zu genau, wer sie ist. Bleibt nur noch Ihr übrig, meine Freundin. Niemand kennt Euch.«
    »Caitlin, du musst das nicht tun!«, rief Sàra und sprang auf.
    »Sie braucht doch nur den Ring vom Finger des Gouverneurs zu ziehen, ihn in das Wachs zu drücken und ihm dann wieder anzustecken …«
    »Und natürlich wird der Gouverneur nicht das Geringste dagegen haben …«
    »Er wird schlafen wie ein Säugling, meine Schöne. Du brauchst ihm nur ein wenig Opiumsirup in ein Glas Wein oder ein anderes Getränk zu mischen.«
    »Hmmm …«, meinte ich und rieb mir das Kinn. »Das bedeutet, dass ich an diesem Dinner teilnehmen muss. Und was noch? Soll ich mit ihm nach Hause gehen?«
    »Eine Frau ist eine sehr gefährliche Falle, meine

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