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Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel

Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel

Titel: Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Blazon
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verräterisch feines Schleifen hörte. Wie schleichende Schuhsohlen auf einem Holzboden. Nur kam das Geräusch nicht von der Straße. Sondern von … oben?
    Sie blickte hoch – und wäre vor Schreck fast rückwärts in den Kanal gestolpert. Über ihr hing das Kind an der Decke des Durchgangs und klammerte sich mit den Fingern in den Ritzen von Holz und Mauerwerk fest. Es war ein kleiner Junge, kaum älter als Pippa, aber er hing so verrenkt an der Wand, dass er eher wie ein kleines Tier wirkte oder ein zusammengekrümmter Kobold. Ein Turnschuh war ihm vom Fuß gerutscht und baumelte an den Schnürsenkeln vom rechten Knöchel. Der Junge stieß einen schrillen, warnenden Pfiff aus, der ihr durch und durch ging. Kristina bekam so weiche Knie, dass sie sich gegen die Wand lehnen musste. Jetzt erst wurde ihr bewusst, dass sie hier ganz allein war – mit einem unheimlichen Wesen, das die Wände hochklettern konnte wie eine Eidechse. Und das sie nun feindselig anfunkelte. Fassungslos starrte sie in das totenblasse Gesicht mit den brennenden schwarzen Augen. Sie waren größer als die eines normalen Kindes – oder vielleicht schien es nur so, weil das Gesicht so hohlwangig und schmal war.
    Es kostete sie allen Mut, überhaupt ein Wort herauszubringen. »Was bist du? Ein … Geist?« Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie deutsch gesprochen hatte. Aber als sie sah, wie dem Jungen der Mund aufklappte, ein schattiger Fleck in einer weißen Maske, blieb ihr jedes italienische Wort im Hals stecken.
    Der Junge stieß einen leisen Schrei aus. Kristina rutschte vor Schreck an der Wand herunter, bis sie auf dem Boden kauerte, die Knie an den Körper gezogen.
    Und jetzt – ließ der Junge einfach los und fiel. Kristina kauerte sich zusammen, barg den Kopf in den Armen. Sie hörte einen Aufprall – und spürte dann eine Nähe, die sie schaudern ließ. Und nun fiel ihr noch etwas Grässliches an dem Kind auf: Es atmete nicht.
    Vorsichtig nahm sie einen Arm herunter und spähte in das Halbdunkel. Auf der Stelle wünschte sie sich, sie hätte es nicht getan. Der Junge kauerte direkt vor ihr und starrte sie an. Jetzt legte er mit einer ruckartigen Bewegung den Kopf schief. In seinen Augen glomm wieder das katzenhafte Schimmern auf und verwandelte sie in zwei golden leuchtende Scheiben.
    »Calegheri?« sagte er leise. Seine Stimme klang bebend und komischerweise schwang darin auch so etwas wie verzweifelte Hoffnung mit. »Gehörst du … zu uns?«
    Kristina brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass das Kind auf Deutsch geantwortet hatte! Es hatte eine seltsame, hallende Stimme, ein wenig wie ein Echo.
    »Du … du verstehst mich?«, fragte sie.
    Beim Klang ihrer Worte schienen seine Augen noch größer zu werden. Als er zögernd nickte, erlosch das Katzenleuchten, und sie blickte wieder in schwarze Kinderaugen.
    Ganz plötzlich war es kalt geworden, Kristinas Atem verwehte in einer weißen Wolke, allerdings nur vor ihrem Gesicht. Der Junge atmete nämlich tatsächlich nicht. Und außerdem zwinkerte er kein einziges Mal. Sie sprach also doch mit einem Gespenst! Verrückter ging es nicht mehr. Jan würde durchdrehen.
    Ein Teil von ihr wollte einfach aufspringen und schreiend davonlaufen, aber es gab noch einen anderen Teil. Und dieser wollte um jeden Preis wissen, was es mit dem Jungen auf sich hatte.
    »Wie heißt du?«, flüsterte sie.
    Der Junge duckte sich, als wäre er auf der Hut, aber er schwieg.
    »Kristina«, fügte sie leise hinzu. »So heiße ich. Du … du warst heute in unserem Hotel.«
    Als ihr klar wurde, was das bedeutete, machte sie sich plötzlich Sorgen um Nonna.
    Der Junge schluckte und sah zum Wasser. Das Schneetreiben war stärker geworden und ein eisiger Wind fegte die Flocken in den Durchgang. Nebelschwaden krochen heran. Ein Platschen ertönte – so als würde eine Gondel herankommen, angetrieben von dem Riemen, der das Wasser verwirbelte. Und tatsächlich schälte sich die Spitze einer Gondel aus dem Nebel. Kristina erhaschte einen Blick auf den abgerundeten Metallbogen mit den sieben Zinken, der die Spitze jeder Gondel bildete. Im ersten Augenblick war sie erleichtert. Sie war nicht mehr allein mit dem Geisterjungen. Aber dann bemerkte sie, dass die Gondel hier sich deutlich von den Gefährten unterschied, die sie kannte: Normalerweise waren vorne an dem Metallbeschlag sechs eckige Zacken angebracht, die nach vorne wiesen, und einer, der nach hinten gerichtet war. Hier waren die Zinken eiserne

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