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Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel

Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel

Titel: Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Blazon
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Jetzt, zur Weihnachtszeit, war sie mit blauen Lichterketten geschmückt. Ihr kalter Schein drang durch den Nebel und die Lampen der Restaurants an der Promenade mischten Rot dazu.
    Trotzdem: Irgendetwas war anders als vorher.
    Die Ratten waren verschwunden, aber über Kristina kreiste ein ganzer Schwarm Möwen. Sie waren kleiner als gewöhnliche Möwen und fast schwarz. Noch nie hatte sie solche Vögel gesehen. Ihre Schreie hallten schrill und bedrohlich zwischen den Palazzi.
    Alle anderen Geräusche schienen mit einem Mal wie von Watte verschluckt zu sein. Vor ihr auf dem Kanal fuhr ein beleuchtetes Vaporetto vorbei – in Venedig waren diese großen flachen Boote die Wasserbusse. Und auf der anderen Kanalseite glaubte Kristina im Schatten eines kleinen Nebenkanals auch eine Gondel zu sehen. Eine hagere Gestalt in einem schwarzen Regencape stand reglos darauf.
    Der Mantel hatte eine Kapuze, die das Gesicht verbarg. Der Mann schien sie über das Wasser hinweg zu mustern. Irgendetwas war an dieser Gondel nicht so, wie es sein sollte, aber Kristina hätte nicht erklären können, was genau es war. Doch bevor sie genauer hinschauen konnte, hatte der aufsteigende Nebel die Gestalt schon verschluckt.

Mit dem Riemen schlug er dreimal gegen den Rumpf der Gondel. Das Wasser wogte im Rhythmus der dumpfen Schläge, die Schwingung breitete sich aus – über Seitenkanäle in winzige schmale Gassen, zu Kirchen und auf Plätze. Tauben flatterten auf, wo sie die Erschütterung fühlten, Babys begannen, in ihren Wiegen zu weinen, die Paläste ächzten und seufzten wie Riesen, die schlecht träumten. Der Dunkle brauchte nicht lange zu warten. Bald schon hörte er das Geflüster, tappende Schritte, leise Stimmen. Runde Augen leuchteten ringsumher in der Dunkelheit auf, glommen ohne ein Zwinkern wie Irrlichter im Nebel. »Geht«, stieß der Dunkle mit heiserem Flüstern hervor. »Stürmt das Haus, sucht um euer Leben! Und dann tötet die Hexe und bringt mir das Mädchen und diese Kinder.« Und zu sich selbst fügte er hinzu: »Drei Leben sind besser als eines.«

Campo San Polo

    EIN DUMPFES KLOPFEN weckte Kristina. Sie fuhr aus einem tiefen Traum hoch, in dem glühende Augen sie angestarrt hatten. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es sieben Uhr morgens war, im Zimmer war es noch dunkel. Wer hämmerte so früh schon Nägel in die Wand?
    Kristina schwang sich aus dem Bett. Kaum hatten ihre Füße den Boden berührt, zuckte sie wieder hoch. Sie hatte das Mehl vergessen!
    Die feine weiße Schicht lag wie Puder auf dem Marmorfußboden des Dogenzimmers. Na ja, jetzt klebte ein Teil davon an ihren Fußsohlen. »Jan, bist du wach?« Doch ihr Bruder lag eingemummelt in dem Bett neben dem Fenster und rührte sich nicht. Sein Skateboard hielt er auch im Schlaf fest umarmt, und seine Zudecke beulte sich, weil er seine Schätze darunter in Sicherheit gebracht hatte. Jans giftgrüne Turnschuhe standen direkt vor dem Bett. Die Totenköpfe, die Jan mit Edding auf die Spitzen dieser »Piratenschuhe« gekritzelt hatte, schienen im Halbdunkel blöde zu grinsen. Kristina knipste das Nachttischlicht an. Keine Spuren im Mehl. Und auch die Köder, die Jan mitten auf dem Boden ausgelegt hatte – zwei weitere Fußballsticker, ein Gummiball und Kristinas Glitzerbleistift –, waren unberührt. Kristina stand auf und huschte hinaus. Vor dem Zimmer klopfte sie sich das Mehl von den Sohlen und lief hastig zur Treppe. Das Klopfen donnerte hier so laut, dass es fast in den Ohren wehtat. Und gleich darauf wusste sie, was hier vorging: Nonna stand auf einer Leiter und hämmerte gerade einen Nagel in eine Holzplatte an der Wand. Sie war so bei der Sache, dass sie Kristina im Schatten des Flurs gar nicht bemerkte. Nonna ließ den Hammer sinken und seufzte. Sie sah müde aus und ein bisschen grau im Gesicht.
    »Das müsste genügen«, murmelte sie. Und noch leiser setzte sie hinzu: »Hoffentlich.« Besorgt betrachtete sie ihr Werk: Die Holzplatte verdeckte nun das kleine Fenster in Richtung Hof. Der Wandteppich darunter war abgehängt worden. Und jetzt war klar, dass Cesare den gestrigen Nachmittag nicht nur damit verbracht hatte, das Loch in der Mauer zu schließen: Mit dicken Dübeln hatte er drei breite Balken quer über die Tür mit der Nummer dreizehn befestigt und sie damit regelrecht verbarrikadiert.

    Das Frühstück bestand schon wieder nur aus Kakao und einem trockenen Riesenkeks, den Sara bussolai nannte.
    »Heute kauft ihr ein«, bestimmte Nonna.

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