Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel
Kinder. Wir holen noch ein paar Helfer und möbeln das Hotel ein bisschen auf, vielleicht weht ein wenig frischer Wind ja sogar mehr Gäste herein. Aber beschwert euch dann bloß nicht darüber, dass ihr mithelfen müsst!«
Sie zogen noch am selben Abend wieder ins Hotel. Und obwohl Kristina und Jan wussten, dass irgendwo da draußen der Doge mit der Gondel seine Kreise um das Hotel zog, fühlte es sich ein bisschen so an wie Heimkommen. Auf der Bettdecke lag nun Cesares Lexikon der Stadtgeschichte Venedigs, aber viel Brauchbares hatten sie noch nicht gefunden. Immerhin standen ein paar Worte über Violetta darin. »Sie war mit dem Dogen Andrea Dandolo verheiratet«, las Kristina ihrem Bruder vor. Sie tippte mit dem Zeigefinger auf das Bild. Der Doge war ziemlich alt, ein hagerer Mann mit einem schmalen Pferdegesicht und langer Nase.
»Glaubst du, das ist er?«, fragte Jan zaghaft.
»Das werden wir mit Luca zusammen rausfinden.«
»Luca ist cool, oder?«
»Hm, ja, er ist schon ganz in Ordnung«, antwortete Kristina ausweichend. Rasch las sie weiter. »Hier steht, Violetta wurde 1331 geboren und starb 1355. Also ist das Bild in dem Jahr gemalt worden, in dem sie die Treppe runtergefallen ist.« Sie war also ziemlich jung gestorben.
Es klopfte an der Tür und eine erschöpfte Sara trat ein. »Euer Vater will euch Gute Nacht sagen«, sagte sie und hielt Jan das Handy hin.
Jan schnappte sich das Telefon und rannte ins Badezimmer, um allein mit ihm zu telefonieren.
»Es war ein harter Kampf, aber Flavio ist damit einverstanden, dass ihr eine Zeit lang in die italienische Schule geht«, sagte Sara und zog die Tür hinter sich zu.
Jan telefonierte eine ganze Weile, aber endlich kam er strahlend aus dem Bad und gab Kristina das Telefon. Sie zog sich die Decke über den Kopf, um der Stimme aus Afrika zu lauschen. »Hallo, Papa?«, sagte sie leise in den Hörer.
»Meine Große! Ich vermisse dich so sehr!«
Wie immer klang seine Stimme ein wenig müde und sorgenvoll, und Kristina stiegen sofort die Tränen in die Augen, so sehr fehlte er ihr.
»Wie geht es dir?«, wollte er wissen.
Wo anfangen bei einem Telefonat, in dem der Zähler bis nach Afrika tickerte?
»Gut«, antwortete sie deshalb nur. »Wir möbeln das Hotel auf.«
»Ja, ich habe schon gehört, Sara hat große Pläne, um den Palazzo zu retten. Ehrlich gesagt dachte ich, Sara würde so rasch wie möglich wieder das Weite suchen. Sie hat Nonna nie so recht verziehen, dass sie sie nach dem Tod unserer Eltern aus Venedig weg- und zu mir nach Deutschland geschickt hat. Jedenfalls: Die arme Nonna kann stolz auf euch sein. Aber ich kann es gar nicht fassen, dass es euch so gut in Venedig gefällt, dass ihr dort bleiben wollt, bis ich zurück bin.«
Tja, was sollte sie darauf antworten? Dass sie gar keine andere Wahl hatten, weil sie Nonna und die Donnole unmöglich mit dem Dogen allein lassen konnten?
»Ach, es ist eigentlich ganz okay hier«, murmelte sie. »Und Nonna ist gar nicht so schlimm, wenn man sie besser kennt. Und sie … glaubt an Geister.«
»Ja, abergläubisch war sie schon immer. Ich habe mir als Kind einmal den Spaß gemacht, sie, als Gespenst verkleidet, zu erschrecken.«
Kristina musste lächeln. Es war schwierig, sich ihren Vater als übermütiges Kind vorzustellen.
»Nonna hat gesagt, vor zwölf Jahren ist im Hotel etwas Schreckliches passiert.«
»Wirklich? Hm, lass mich nachdenken. Ich glaube, damals wurde im Hotel irgendwas umgebaut, aber an etwas Schreckliches kann ich mich nicht erinnern.«
Das klang aufrichtig, und Kristina wusste, dass ihr Vater sie niemals anschwindeln würde.
»Wie ist es in Afrika?«, fragte sie leise.
»Golden«, erwiderte Papa mit einem Seufzen. »Solche Sonnenuntergänge habe ich noch nie gesehen. Und es ist so einsam ohne euch. Aber meine Arbeit läuft gut und bald bin ich wieder daheim.«
Kristina biss sich auf die Unterlippe. Es war so viel passiert, dass sie das Gefühl hatte, zwischen ihnen läge nicht nur ein Meer, sondern ein ganzes Universum. Mit einem Mal fürchtete sie sich davor, nicht mehr zurückzufinden in das vertraute alte Leben.
»Erzähl mir eine Geschichte«, bat sie. »Wie früher.«
»Na schön, was willst du denn hören?«
»Erzähl mir was über Violetta.«
»Unsere legendäre Aquana?«
»Ja. Warum nannte man sie eigentlich so?«
Papa lachte und für einen Moment waren sie einander wieder ganz nah. »Ach, das war nur ein Spitzname. Sie besaß eine Werft und kannte sich
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