Lara Adrian- 07- Gezeichnete des Schicksals
Todesfolge ging, schienen die Leute quasi in
Lichtgeschwindigkeit zu erreichen.
In den achtundvierzig Stunden, seit Alex die Morde
entdeckt und Zach beschlossen hatte, die Leichen vom Tatort nach Harmony zu
fliegen, bis das Wetter sich so weit beruhigt hatte, dass die Staatspolizei aus
Fairbanks zu ihnen durchkam und die Ermittlungen übernehmen konnte, waren der
Schock und die Bestürzung in der Stadt in Argwohn und Hysterie umgeschlagen.
Und die nahm gefährlich zu. Länger als achtundvierzig Stunden konnten es die
Stadtbewohner nicht aushalten, ohne Erklärungen zu fordern, wer - oder was -
den alten Toms und seine Familie so brutal abgeschlachtet hatte.
„Ich verstehe das einfach nicht“, sagte Millie
Dunbar von ihrem Platz in der Bank hinter Alex. Der alten Frau zitterte die
Stimme, nicht so sehr wegen ihrer siebenundachtzig Jahre, sondern vor Kummer
und Sorge. „Wer würde Wilbur Toms und seiner Familie so etwas antun? Das waren
so nette, anständige Leute. Damals, als mein Vater sich hier angesiedelt hat,
hat er viele Jahre lang flussaufwärts mit Wilburs Großvater gehandelt. Er hatte
über die Familie Toms nie ein schlechtes Wort gesagt. Ich kann mir einfach
nicht vorstellen, wer etwas so Böses getan haben kann.“
Einer der Männer im hinteren Teil der Kirche
meldete sich zu Wort. „Wenn ihr mich fragt, der junge Teddy war mir nie ganz
geheuer. Der war einfach zu verdammt still. Hab ihn in der letzten Zeit öfters
in der Stadt rumlungern sehen, aber nicht mal gegrüßt hat er, wenn man ihn
angesprochen hat. Hielt sich wohl für was Besseres. Da fragt man sich doch, was
der Bursche so getrieben hat und ob er vielleicht was zu verbergen hatte.“
„Also bitte“, sagte Alex. Sie fühlte sich
verpflichtet, Teddy in Schutz zu nehmen, da er es nicht mehr selbst tun konnte.
Sie drehte sich auf ihrer Kirchenbank um und warf einen missbilligenden Blick
hinter sich, wo sich auf Big Dave Grants haltlose Anklage hin Dutzende von Gesichtern
vor Argwohn verhärtet hatten. „Teddy war einfach schüchtern gegenüber Leuten,
die er nicht gut kannte, das ist alles. Er hat nie viel geredet, weil er
Stotterer war und deswegen ständig gehänselt wurde. Und anzudeuten, dass er
irgendetwas mit dem Mord an seiner Familie zu tun haben könnte, wo er doch
neben ihnen auf einer kalten Pritsche liegt, ist einfach widerlich und herzlos.
Wenn ihr gesehen hättet, in welchem Zustand sie waren ...“
Jennas Hand senkte sich sanft auf Alex' Handgelenk,
aber die Warnung war unnötig. Alex hatte nicht vor, den Gedanken weiter
auszuführen. Schlimm genug, dass ihre grauenvolle Entdeckung sich immer wieder
vor ihrem inneren Auge abspulte, seit sie auf den alten Toms, Teddy und den
Rest ihrer Familie gestoßen war. Sie würde nicht dasitzen und den
Stadtbewohnern ausführen, wie brutal sie ermordet worden waren. Mit welcher
Wildheit Fleisch von den Knochen gerissen, Kehlen aufgeschlitzt worden waren,
als wäre ein höllisches Tier aus der kalten Nacht gekommen, um sich an den
Lebenden zu nähren.
Nein, kein Tier.
Ein Wesen aus einem Albtraum.
Ein Monster.
Alex schloss die Augen vor der Vision von Blut und
Tod, die aus den dunkelsten Ecken ihrer Erinnerung aufzusteigen begann. Sie
wollte nicht daran denken, nie wieder. Sie hatte Jahre gebraucht und Tausende
von Meilen hinter sich gelassen, aber es war ihr gelungen, diesem Schrecken zu
entkommen. Sie hatte ihn überwunden, auch wenn er ihr so entsetzlich viel
genommen hatte.
„Ist es wahr, dass keine Mordwaffe gefunden wurde?“,
rief jemand aus der Mitte der Versammlung. „Wenn sie nicht erschossen oder
erstochen wurden, wie wurden sie dann ermordet? Ich hab gehört, dass es da
draußen in der Wildnis das reinste Blutbad war.“
Oben auf der Kanzel hob Zach eine Hand, um den
folgenden Ansturm ähnlich neugieriger Fragen aus der Menge abzublocken. „Bis
die Einheit der Staatspolizei aus Fairbanks da ist, kann ich euch nur sagen,
dass wir das als Mord in mehreren Fällen behandeln. Da ich einer der
ermittelnden Beamten bin, ist es mir derzeit weder möglich, über die Details zu
sprechen, noch halte ich Spekulationen für angebracht.“
„Aber was ist mit den Wunden, Zach?“ Dieses Mal war
es Lanny Ham, der das Wort ergriff, und in seiner dünnen Stimme schwang etwas
mehr als seine übliche nervöse Energie. „Ich habe gehört, die Leichen sehen
aus, als wären sie von Tieren angefallen worden. Großen Tieren. Ist das wahr?“
„Was denkt Alex, schließlich hat sie die
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