Lara Adrian- 07- Gezeichnete des Schicksals
sogar mit jemandem vom Fach ...“
„Alles bestens“, beharrte sie. Jetzt wurde sie
ärgerlich und war dankbar für die Wut, die ihre beunruhigende Vergangenheit
wieder in die hinteren Ecken ihres Bewusstseins zurückverbannte, wo sie
hingehörte. „Hört mal, vergesst einfach, was ich heute Abend gesagt habe. Ich
hab das nicht ernst gemeint. Ich wollte mich nur mit Big Dave anlegen.“
„Na, der ist ein Arsch und hat's verdient“, sagte
Jenna und wirkte extrem erleichtert, dass es offenbar doch nicht nötig war, die
Weißkittel mit den Zwangsjacken zu rufen.
Alex lächelte mit einer Fröhlichkeit, die sie nicht
empfand. „Dann geh ich mal.
Viel Spaß bei Petes, ihr zwei.“
Sie wartete den Abschied der beiden nicht ab und
rannte zur Tür, wurde aber von drei alten Damen aufgehalten, die miteinander
plauderten und sich in Zeitlupe bewegten. Alex' Puls raste, als sie endlich
draußen war und ihre erste Lunge voll kalter Nachtluft nahm. Sie stand unter
dem schneebeladenen Dach-vorsprung der Holzkirche und sah sich in alle
Richtungen nach dem auffallenden Gesicht um, das sich vom ersten Augenblick an
unauslöschlich in ihre Erinnerung eingebrannt hatte.
Er war nicht da.
Wer immer er war, was auch immer ihn nach Harmony
geführt hatte, das doch durch das schlechte Wetter völlig von der Zivilisation
abgeschnitten war - er war einfach in die eisige Dunkelheit hinausgegangen und
hatte sich in Luft aufgelöst.
5
Kade wanderte tief in die eisige Wildnis, ließ das
winzige Städtchen Harmony etwa vierzig Meilen hinter sich. So weit im
Hinterland gab es für Menschen im Winter nur wenige Fortbewegungsmittel: Flugzeug,
Hundeschlitten oder Schneemobil. Kade war zu Fuß unterwegs, den Ledersack und
seine Waffen über die Schulter geworfen, und seine Schneeschuhe trugen ihn über
Schneewehen, in die Normalsterbliche bis zu den Ohren eingesunken wären.
Der eisige Wind zerrte an ihm, als er steile
Abhänge hinauf - und immer neue Senken hinunterrannte, mit einer
übermenschlichen Geschwindigkeit und Ausdauer, wie sie nur Stammesvampire
hatten.
Er fühlte sich mit Leib und Seele in Alaska
heimisch, genoss die Kälte und das unwegsame Gelände, etwas, was seine eigene
innere Wildheit in ihm wachrief - eine Wildheit, die sich schnell wieder in ihm
erhob, jetzt, wo er in die vertraute Tundra seiner Heimat zurückgekehrt war.
Dem gefrorenen Koyukuk River in nördlicher Richtung
zu folgen, bis etwa zu dem Ort, wo die Familie Toms gewohnt hatte, fiel ihm
nicht schwer. Sobald er sich der Gegend näherte, wo die Morde geschehen waren,
ließ er sich den Rest des Weges von seinem scharfen Geruchssinn leiten. Obwohl
die Stürme der letzten Tage alles mit einer dicken, frischen Schneedecke
überzogen hatten, war für einen Angehörigen seiner Spezies der schwache
Blutgeruch immer noch im Wind spürbar und wies ihm wie ein Leuchtfeuer den Weg
zum Schauplatz des Gemetzels.
Die Videos, die Gideon in Boston im Internet
entdeckt hatte, hatten ihn einigermaßen auf seine Mission vorbereitet. Nach dem
Bürgertreffen in der Kirche war er zum kleinen Flugplatz von Harmony gegangen,
um einen Blick auf die Toten zu werfen, die dort im einzigen Hangargebäude auf Eis
lagen.
Die Fleischwunden waren im Video schon grausig
gewesen, und mit eigenen Augen aus der Nähe betrachtet, waren sie nicht besser
- die Opfer waren praktisch ausgeweidet worden. Aber Kade hatte sich alles mit
kühlem Kopf und objektivem Auge angesehen, und bei seinem Besuch in der
provisorischen Leichenhalle hatte er nichts Überraschendes gefunden. Die
Familie Toms war weder einem Tier noch einem Menschen zum Opfer gefallen.
Etwas anderes hatte sie abgeschlachtet... genau wie
die junge Frau, diese hübsche braunäugige Blondine namens Alexandra Maguire,
auf der Versammlung in der Kirche so nachdrücklich behauptet hatte.
Die war allerdings eine Überraschung gewesen. Groß,
schlank und von einer natürlichen Schönheit, die ganz ohne Make-up auskam. Kade
war verblüfft gewesen, als sie aufgestanden war und erklärt hatte, dass sie
etwas Seltsames im Schnee gesehen hatte. Denn Kade hatte nichts von Zeugen
gewusst, außer dem perversen Idioten, der das Video aufgenommen und ins Netz
gestellt hatte. Eine der Hauptprioritäten seiner Mission für den Orden lautete,
diese spezielle Problemquelle zu lokalisieren und zum Schweigen zu bringen. Das
kam gleich nach der Priorität, den oder die Rogues zu identifizieren, die für
die blutige Attacke verantwortlich waren, und
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