Lara Adrian- 07- Gezeichnete des Schicksals
dafür zu sorgen, dass der
Gerechtigkeit mit kalter, schneller Hand Genüge getan wurde.
Aber nun war eine zusätzliche Komplikation
aufgetaucht, in Form dieser Frau, Alex.
Als ob nicht schon alles kompliziert genug wäre.
Was immer sie gesehen hatte, was immer sie über die Morde hier draußen in der
Wildnis wusste - sie war ein Problem, mit dem Kade sich befassen musste, bevor
sich die Dinge noch weiter verkomplizierten. Er konnte sich bei seinem Job weiß
Gott Schlimmeres vorstellen, als attraktiven Blondinen Informationen zu
entlocken. Viel Schlimmeres.
Wie zum Beispiel das, was da eben schemenhaft vor
ihm in der Dunkelheit auftauchte - die Ansammlung von kleinen Blockhäusern und
frei stehenden Schuppen, in der die Familie Toms gewohnt hatte. Kades
Nasenflügel zuckten vom Geruch des alten Blutes unter der weißen Schneedecke,
die über dem Anwesen lag. So, aus etwa hundert Metern Entfernung, wirkte die
Szenerie pittoresk und friedlich. Ein ruhiger Außenposten in der Wildnis, der
sich zwischen die Fichten und Birken der ihn umgebenden Nordwälder schmiegte.
Aber selbst in dieser Kälte hing der Gestank nach
Tod über dem Ort und wurde intensiver, je näher Kade dem gedrungenen Blockhaus
kam, das dem Pfad am nächsten lag. Er zog die Schneeschuhe aus und ging die
beiden Verandastufen hinauf. Die Tür aus groben, handbehauenen Planken war zu,
aber nicht abgeschlossen. Kade drückte die Klinke herunter, stieß die Tür mit
der Schulter auf und stand auf der Schwelle.
Im schwachen Mondlicht, das um ihn herum ins Haus
fiel, glänzte eine riesige gefrorene Blutlache wie schwarzer Onyx. Sein Körper
reagierte prompt, der Anblick und Geruch der kristallisierten roten Zellen
trafen ihn wie ein Hammer gegen den Schädel. Obwohl das Blut alt war und seiner
Spezies, die sich nur aus den Adern lebendiger Menschen nähren konnte, nichts
mehr nutzte, schössen Kade die Fangzähne aus dem Zahnfleisch.
Er zischte einen leisen Fluch. Seine Fangzähne
fuhren sich immer weiter aus, als er den Kopf hob und noch mehr Blut sah
-weitere Anzeichen von Kampf und Qualen: Aus dem Hauptraum des Blockhauses
führte eine verschmierte, dunkle Blutspur den kurzen Flur hinaus. Eines der
Opfer musste versucht haben, vor dem Raubtier zu fliehen, das gekommen war, um
sie zu töten. Kade stellte seinen Ledersack und seine Schneeschuhe ab und ging
den Flur hinunter. Durch seine Flucht ins hintere Schlafzimmer hatte der Mensch
sein Schicksal nur besiegelt, denn dort war er in die Enge getrieben worden.
Die grellen Blutspritzer an den Wänden und auf dem ungemachten Bett sagten Kade
genug davon, mit welcher Brutalität auch dieses Opfer abgeschlachtet worden
war.
Noch zwei weitere Menschen waren hier so grausam
umgekommen, und Kade zog keinerlei Befriedigung daraus, als er den Rest der
Ansiedlung abgegangen war und den genauen Verlauf der entsetzlichen Morde
rekonstruiert hatte, Er hatte genug gesehen. Nun wusste er mit schrecklicher
Gewissheit, dass diese Morde aus Blutgier begangen worden waren. Und wer immer
diese Menschen abgeschlachtet hatte, hatte es mit einer Inbrunst getan, die
alles überstieg, was er jemals zuvor gesehen hatte - nicht einmal die wildesten
Blutjunkies taten so etwas.
„Du verdammtes Arschloch“, murmelte er. Mit vor
Ekel verkrampftem Magen wandte er sich von der gespenstischen Ansiedlung ab und
stapfte auf den umgebenden Waldgürtel zu. Jetzt brauchte er frische Luft. Er
holte gierig Atem, sog den Geschmack des kalten Winters tief in seine Lungen.
Es genügte ihm nicht. Hunger und Wut hatten sich in
ihn gekrallt wie Ketten, drückten ihm in der Hitze seines Anoraks und seiner
Kleider die Luft ab. Kade riss sich seine Sachen vom Leib und stand nackt in
der eisigen Novembernacht. Die kalte Dunkelheit besänftigte ihn etwas, aber
nicht viel.
Er wollte rennen - musste rennen - und spürte, wie
die kalten Arme der Wildnis Alaskas sich nach ihm ausstreckten, ihn umarmen
wollten. In der Ferne hörte er Wolfsgeheul. Der Laut hallte tief in seinen
Knochen wider, sang durch seine Venen.
Kade warf den Kopf zurück und antwortete.
Ein weiterer Wolf fiel ein, dieser bedeutend näher
als der erste. Innerhalb von Minuten war das Rudel da, kam langsam durch das
Fichtendickicht auf ihn zu.
Kade sah von einem wachen Augenpaar zum nächsten.
Das Alphatier trat aus den Bäumen hervor, ein riesiger schwarzer Rüde mit einem
zerfetzten rechten Ohr. Der Wolf näherte sich alleine, bewegte sich über die
makellose weiße Schneefläche
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