Lara Adrian- 07- Gezeichnete des Schicksals
gewesen war, klaffte eine riesige Wunde.
Alex setzte sich auf die Hacken zurück und holte
keuchend Luft, als die Realität dessen, was sie da sah, mit voller Gewalt von
ihr Besitz ergriff. Teddy war tot. Er war doch nur ein Junge, verdammt noch
mal, und jemand hatte ihn abgeschlachtet wie ein Tier und einfach hier liegen
lassen.
Und er war nicht der Einzige in dieser abgelegenen
Ansiedlung, den dieses Schicksal ereilt hatte. In ihrem Schock trat Alex von
Teddys Leiche zurück und sah sich wild zum umliegenden Gelände und den Häusern
um. Die Tür der gegenüberliegenden Blockhütte war aus den Angeln gerissen, und
vor einer der anderen lag eine weitere reglose Gestalt. Und noch eine direkt
unter der offenen Tür eines Pritschenwagens, der an einem alten hölzernen
Lagerschuppen stand. „Oh Gott. . . nein.“
Und dann war da der Tote, den sie schon von ihrem
Landeanflug aus gesehen hatte - der aussah wie der alte Toms, tot und
blutüberströmt am Waldrand hinter seinem Haus.
Sie packte ihr Gewehr fester, auch wenn sie
bezweifelte, dass der Mörder - oder vielleicht waren es auch mehrere gewesen,
beim Ausmaß dieses Gemetzels hier - noch in der Nähe war. Alex fand sich
wieder, wie sie langsam auf diesen nassen, blutgetränkten Schneestreifen am
Waldrand zuging, mit Luna dicht auf den Fersen.
Mit jedem Schritt zogen sich Alex' Herz und Magen
stärker zusammen. Sie wollte den alten Toms nicht so sehen, wollte niemanden,
der ihr am Herzen lag, abgeschlachtet, verstümmelt und blutüberströmt sehen ...
nie wieder.
Und doch bewegten sich ihre Füße wie von selbst,
und genauso wenig konnte sie sich zurückhalten, neben der grausigen, bäuchlings
liegenden Leiche des Mannes niederzuknien, der sie immer mit einem Lächeln und
einer bärigen Umarmung begrüßt hatte. Alex legte ihr Gewehr neben sich in den
roten Schnee. Mit einem würgenden, wortlosen Aufschrei streckte sie die Hand
aus, nahm den riesenhaften Mann an der Schulter und drehte ihn um. Das
verwüstete Gesicht, das blicklos zu ihr aufstarrte, ließ Alex das Blut in den
Adern gefrieren. Seine einst so heiteren Züge waren in einer Maske absoluten
Entsetzens erstarrt. Alex konnte sich auch nicht annähernd vorstellen, was er
im Augenblick seines Todes gesehen haben musste.
Obwohl…
Die alte Erinnerung sprang sie aus einer dunklen,
verschlossenen Ecke ihrer Vergangenheit an. Alex spürte ihren scharfen Biss,
hörte die Schreie, die die Nacht zerrissen und ihr Leben für immer zerstört
hatten.
Nein.
Diesen Schmerz wollte Alex nicht wieder erleben.
Sie wollte nicht an diese Nacht zurückdenken, und schon gar nicht jetzt,
umgeben von all diesen Toten, völlig allein. Sie konnte nicht ertragen, die
Vergangenheit ans Licht zu holen, die sie vor achtzehn Jahren Tausende von
Meilen hinter sich gelassen hatte.
Aber die Vergangenheit kroch in ihre Gedanken
zurück, als wäre es erst gestern gewesen. Und als ob es gerade wieder
passierte. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass derselbe Schrecken, den sie und
ihr Vater vor so langer Zeit in Florida überlebt hatten, irgendwie gekommen
war, um diese unschuldige Familie in der isolierten Wildnis Alaskas
heimzusuchen. Alex würgte ein Schluchzen zurück und wischte sich die Tränen ab,
die ihr auf den Wangen brannten, als sie auf ihrer Haut gefroren.
Lunas leises Grunzen neben ihr unterbrach Alex'
Gedanken. Die Hündin grub neben der Leiche die Schnauze in den Pulverschnee,
offenbar hatte sie einen Geruch aufgefangen. Dann ging sie vorwärts und folgte
der Duftspur auf die Bäume zu. Alex stand auf, um zu sehen, was Luna gefunden
hatte. Zuerst sah sie es nicht. Und als sie es sah, konnte ihr Verstand den
Anblick gar nicht verarbeiten.
Es war ein blutiger Fußabdruck, teilweise vom
Neuschnee verdeckt. Ein menschlicher Fußabdruck, der mindestens einem Stiefel
der Größe fünfzig entsprach. Und der Fuß, der ihn hinterlassen hatte, war nackt
gewesen. In dieser tödlichen Kälte mehr als unwahrscheinlich - es war
schlichtweg unmöglich.
„Was zum Teufel ... ?“
Entsetzt packte Alex Luna am Nackenfell und hielt
sie fest an ihrer Seite, bevor der Hund der Fußspur noch weiter nachging. Sie
folgte ihr mit den Augen bis zu dem Punkt, wo sie verblasste und im Schnee
verschwand. Es ergab keinen Sinn.
Nichts von alldem ergab irgendeinen Sinn in der
Wirklichkeit, wie sie sie sehen wollte.
Im Flugzeug hörte sie ihr Handy klingeln, begleitet
vom dumpfen Knistern der Funkanlage der Beaver, aus der eine
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