Larson, Glen A & Thurston, Robert - Galactica 03 - Die Gräber von Kobol

Gesicht noch bleicher, und nicht nur wegen des gelben Lichts.
    »Gibt es etwas Neues?« fragte er.
    Das war dieselbe Frage, die er jedesmal stellte, wenn er auf die Station kam, und er kam jeden Tag zweimal. Sie mußte ihm dieselbe Antwort geben, die sie ihm jedesmal gab.
    »Es sieht nicht gut aus. Wir müssen erst den Krankheitserreger isolieren.«
    Er schaute sie an. Seine Augen waren traurig.
    »Gut«, sagte er. »Ich vermute, wir werden bald etwas dafür unternehmen.«
    »Ich weiß. Ich hoffe, daß …«
    »Sag es nicht, Cassie. Bitte sag es nicht.«
    Er blickte wieder auf Boomer hinunter. Unwillkürlich legte er seine Hand auf die kalte Glasplatte und streichelte sie, als wäre es Boomers Stirn.
    Cassiopeia betrachtete das unglückliche Gesicht des Captains, und sie wünschte, sie könnte ihn in die Arme nehmen und ihn trösten. Jedesmal, wenn sie die Leidenschaft in seinem Gesicht sah, hoffte sie, daß eines Tages so ein Mann in ihr Leben treten würde. Nicht Apollo – aber ein Mann wie er. Apollo liebte Serina, und sie verdiente es bestimmt. Cassiopeia verliebte sich immer wieder in dieselben fröhlichen Spieler, die Frauenhelden wie Starbuck. Natürlich konnte man mit Starbuck viel Spaß haben. Aber wenn es um wirkliche Liebe ging … Starbuck würde eher auf dem Leitwerk einer Viper durchs All fliegen, als einer Frau treu sein. Das war ihr Glück, aber manchmal schmerzte es sie, wenn sie daran dachte.
    Apollo unterbrach ihre traurigen Gedanken.
    »Wir bewundern alle deine Ausdauer, Cassie.«
    Sie lachte. Sie hatte nicht lachen wollen, aber sie konnte nicht anders.
    »Ich tue überhaupt nichts. Ich sitze nur und warte, und von Zeit zu Zeit lege ich einen Hebel um oder drücke einen Knopf.«
    »Mehr machen wir alle nicht.«
    »Das glaube ich gerne. Aber es ist immer ein Unterschied, wer es macht.«
    »Ich muß meine Mannschaft zusammenrufen. Behalte die Jungs im Auge, bis wir dir die Medizin bringen.«
    »Ich nehme das als Versprechen, Captain.«
     
    Der Organismus in Boomer verhielt sich ruhig. Die Kälte, die in Boomers Isolationskammer herrschte, hatte ihn betäubt. Vielleicht würde ersieh der Kälte anpassen und zu neuem Leben erwachen können, aber vorerst war er, genau wie sein Opfer, zur Bewegungslosigkeit verurteilt. Seine Wiederbelebung wäre ohnehin sein eigenes Ende und das Ende seines Wirtes. Aber glücklicherweise wußte der kleine Organismus nichts von all diesen Problemen. Und selbst wenn er davon gewußt hätte – er kannte keine Angst vor dem Tod, und es war ihm egal, ob sie beide sterben würden.
     
    Gemi konnte ihre Augen kaum mehr offenhalten. Jedesmal, wenn sie versuchte, sich auf das Buch zu konzentrieren, das sie in ihrer Hand hielt – Die alte virgonische Ethik: Über die Aspekte der Selbstaufopferung-, schienen sich die Buchstaben in Zahlenreihen, Meßgeräte, Bildschirme und Computerausdrucke zu verwandeln. Diese Dinge hatten sich während der langen, anstrengenden Trainingsstunden und während ihres einzigen Alleinfluges – der eigentlich nur aus einer Umrundung der Galactica bestanden hatte – so tief in ihr Gedächtnis eingegraben, daß sie zweifelte, ob sie jemals wieder ein normales Buch würde lesen können.
    Sie blickte sich im Raum um. Sie saß in der Kantine für die Piloten, die in den Erholungsräumen für die Kadetten lag. Erleichtert stellte sie fest, daß ihre Mitschülerinnen genauso erschöpft wirkten wie sie selbst. Dietra saß unbeweglich da und schien sich zu überlegen, ob sie noch die Kraft hatte, einen weiteren Pinselstrich auf ihr halbfertiges Stilleben zu setzen. Carrie zeigte Brie ihre Sammlung von Gewürzen aus allen Zwölf Welten, aber weder sie noch Brie schienen sonderlich an den Dosen interessiert zu sein, die vor ihnen auf dem Tisch standen. Alle waren vom anstrengenden Training ausgelaugt.
    Gemi ergab sich endlich ihrer Müdigkeit und schloß die Augen. Sofort tauchten in ihrem Kopf Bilder von Vipers und Computern auf. Langsam trieb sie in einen Traum von der Übungsviper – sie war wie ein kleines Kind, ganz verloren in den großen Ledersesseln, die Arme zu kurz, um die Armaturen zu erreichen, die Beine nicht lang genug, um den Boden zu berühren. Rings um sie tobte die Schlacht. Ein cylonisches Schiff raste auf sie zu. Sie stellte sich auf ihren Sitz, der immer größer zu werden schien, und erreichte mit letzter Kraft den Auslöser. Sie beobachtete, wie das cylonische Schiff explodierte und die Einzelteile im Weltall trieben wie Treibholz.