Lass den Teufel tanzen
Würde auf der Stelle verstehen, welche Türen ihr durch diese unerwartete Liebe aufgestoßen würden. Und wer sonst außer dem Notar Marra wäre nur aus Liebe zu ihr zu einer solchen Geste in der Lage gewesen, er, der ihr jetzt sein ganzes Leben zu Füßen legte, der bereit war, seiner Frau, seinen Kindern und seinem guten Ruf abzuschwören, wenn er dafür ihr weißes und gewiss duftendes Fleisch bekommen konnte! Und wie hätte sie ihm jetzt, da sie über einen solch großen Reichtum verfügte – was allein sein Verdienst war! –, nicht ihre Dankbarkeit erweisen können! Ihm, der doch ein echter Mann war, nicht wie der Vater Don Salvatore, der sie nur angelogen hatte. Und sie würde ihm alles, was er für sie getan hatte, vergelten.
Doch nach dem Tod Don Salvatore Furnos hatten die Dinge einen ganz anderen Verlauf genommen. Zur Verlesung des Testaments war Mariannina nämlich in Begleitung eines jungen Mannes namens Narduccio Greco erschienen, den sie dem Notar sowie zwei anwesenden Vettern zweiten
Grades als ihren zukünftigen Ehemann vorstellte. Vor dem Notar hatte sich in jenem Moment ein Abgrund aufgetan, in dem er, als er sich ein wenig vorbeugte, um hinabzuschauen, bereits das Höllenfeuer lodern sah. Doch da ihm die Zeit fehlte, die Dokumente wieder auszutauschen, war er gezwungen gewesen, das gefälschte Testament zu verlesen und sich damit auf einen Schlag nicht nur zum Unglücklichsten aller Verliebten zu machen, sondern auch zum Verachtungswürdigsten seiner Zunft, dem feigen Verräter eines Freundes.
Trotz des ansehnlichen Erbes, das sie, gepaart mit ihrer großen Schönheit, selbst Fürsten und Bankiers würdig gemacht hätte, hatte Marianna beschlossen, den Burschen zu heiraten, der zwölf Jahre jünger war als sie, ärmer als eine Kirchenmaus, aber ein immer gut gelaunter, prachtvoll gelockter Mann, mit dem sie über alles und über jedes Thema reden konnte, ohne sich jemals fehl am Platz zu fühlen.
Auch in den folgenden Jahren fand der Notar Marra niemals den Mut oder die passende Gelegenheit, den Schwindel aufzudecken. Ja, mit der Zeit begann er sogar, den Verdacht zu hegen, seine Angebetete, die sich von Tag zu Tag ehrlicher und sittenstrenger gab, hätte, wenn sie von seiner wahnsinnigen notariellen Tat erführe, gar nicht begriffen, welch romantische Beweggründe dahintersteckten, ganz zu schweigen von den beruflichen Risiken, die er damit einging, und sie vielleicht gar nicht zu würdigen gewusst. Und so hatte er sich schließlich damit abgefunden. Vielleicht rührte daher auch sein rasches Altern. Sein einziger Trost bestand in dem Gedanken, dass sich das richtige Testament noch in seinem Besitz befand und, wer weiß, vielleicht
irgendwann doch noch neue Umstände eintreten könnten, unter denen er es ins Spiel bringen und damit eine Situation heraufbeschwören könnte, in der Marianna auf ihn zurückgreifen müsste. Das richtige Testament hielt er im Tresor seines Büros unter Verschluss, wo es absolut sicher war. Zumindest glaubte das der Notar Marra …
Er gefiel Donna Mariannina gar nicht, dieser Nunzio Solimene, er hatte ihr noch nie gefallen. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie sie ihn vor einigen Jahren zum ersten Mal gesehen hatte, an dem Tag, als er seine ältere Tochter Filomena an deren erstem Arbeitstag zu ihrem Haus begleitet hatte. Damals waren sie zu dritt gekommen: Nunzio, Filomena und Donna Aurelia, die ein Neugeborenes im Arm hielt. Marianna hatte ihnen vom ersten Stock aus zugerufen, sie sollten doch hereinkommen und es sich in der Küche bequem machen, da die Haustür immer offen stehe. Als sie dann nach einigen Minuten herunterkam, hatte sie die vier still wartend und mit ernsten Gesichtern vorgefunden, als wollten sie ihr einen Kondolenzbesuch abstatten. Filomena war ein kräftiges Mädchen, das älter wirkte als die acht oder neun Jahre, die sie damals wohl alt war. Sie hatte die ganze Zeit über keinen Ton gesagt und nur mucksmäuschenstill dagesessen, den großen Kopf tief zwischen die Schultern gezogen. Nur ab und zu hatte sie mit ihren runden Augen, die ein wenig vorstanden, hochgeblickt und sich verstohlen in der Küche umgesehen, mit gespielter Gleichgültigkeit, als wollte sie sich unauffällig vergewissern, was ihr in diesem Haus wohl blühen würde. Donna Aurelia hielt indessen die andere Tochter, Archina, im Arm, und als Marianna
die Küche betrat, war Donna Aurelia die Einzige gewesen, die mitsamt dem Baby im Arm aufstand, und sie war auch die
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