Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
ihn, von feministischen Parolen aufgestachelt, hätte halten können. Beate Uhse, Teresa Orlowski, Dolly Buster sind nur die bekanntesten Namen, die für eine emanzipierte, von Opferbildern befreite Laufbahn im Sexbusiness stehen, dessen Gesicht dank vieler Kleinunternehmerinnen und Frauen in Führungspositionen zunehmend weibliche Konturen erhält. Frauen leiten Seitensprungagenturen und Erotikverlage, produzieren Sex Toys, eröffnen Frauenerotikshops, stellen Dessous her, geben Kontaktmagazine heraus und arbeiten in der Bildredaktion des Playboy. Das Spektrum erotischer Dienstleistungen wird immer breiter und erfordert weder zwingend den Einsatz von »Körperarbeit« noch eine Kom-phzenschaft mit männlichen Ausbeutern. Umsatzzahlen, Experten-schätzungen, technologische Innovationen sowie der ungebrochene Trend zur Dienstleistungsgesellschaft vermitteln den Eindruck einer Zukunftsbranche.179 Im Grunde ist das nicht erstaunlich: Wenn sich die Sexua lisierung von Produkten und Dienstleistungen schon in
»seriösen« Branchen als Marketingstrategie bewährt hat, kann es nur einleuchten, daß die Sexindustrie von den Schlüsselreizen, an die sie appelliert, erst recht profitiert. Die Geschichte der Prostitution beweist: Sex ist eine natürliche Ressource, die sich stets großer Nachfrage erfreut. Wer sexuelle Dienstleistungen vermarktet, weiß, daß Männer ihre Finanzen mitunter großzügiger verteilen als ihre Gefühle und Verbindlichkeiten und daß sie oft auch unabhängig von ihrer sexuellen »Versorgungslage« in Privatbeziehungen zu sexuellen Tauschgeschäften bereit sind. Bedenkt man, daß es auf dem Arbeitsmarkt auf absehbare Zeit keine Gleichstellung von Männern und Frauen geben wird, erscheint die Sexarbeit nicht nur als eine Überlebensstrategie, sondern als Chance, die finanziellen Ressourcen zugunsten von Frauen nachhaltig umzuverteilen. Gleichstellung im bürgerlichen Berufsspektrum muß definitiv nicht der Königsweg zu finanzieller Autonomie sein.
5 GEWINN UND VERLUST
Klischee Nr. 56:
Von der Vermarktung der Sexualität profitiert nur die Sexindustrie.
Ähnliches spielt sich bereits ab, wenn die Big-Brother-Gewinnerin Alida 90000 DM für Nacktfotos im Playboy oder Verona Feldbusch für einen Werbespot 1,5 Mio. DM erhalten. Viele namenlose Pin-ups haben schon neben allen möglichen Produkten posiert, aber die
»Luder-Generation« profitiert davon erstmals in größerem Stil.
Während die meisten Frauen mit ihrer Arbeitskraft nur ein Jota von dem verdienen, lebt sie vor, wie man mit Ressourcen, die eigentlich jeder Frau zur Verfügung stehen, sich selbst und die Medien oder Marken, für die sie werben, bereichern kann. Fakt ist: Gegen die Umsätze, die »seriöse Branchen« aus einer sexualisierten Produktwerbung ableiten, nehmen sich die Profite der Sexindustrie eher mager aus. Die Frage drängt sich auf: Wie erfolgreich wären völlig unzwielichtige Unternehmen und Medien ohne den erotischen Hunger ihrer Endkonsumenten? RTL II etwa erzielte mit 72935 Telefonsex-Spots nach 23 Uhr 1998 einen Bruttoumsatz von 15,5 Mio. DM.
Selbst wer ein Produkt wie den Opel Corsa inmitten von Ruf-mich-an!-Spots vermarktet, darf laut einer Studie höhere Umsätze erwarten.180 Das Prinzip »Sex sells« hat selbst in die Hochkultur Einzug gehalten, die einer sexualisierten Produktwerbung bis dato eher skeptisch gegenüberstand. So hat das »Fräuleinwunder« der deutschen Literatur nicht nur junge Autorinnen bekannt gemacht, sondern den gesamten Buchhandel belebt. Man kann geteilter Meinung darüber sein, ob es sexistisch ist, daß sich trotz des einen oder anderen Coca-Cola-Mannes das Prinzip »Sex sells« nach wie vor hauptsächlich über Frauenkörper definiert. Von der Vermarktung weiblicher Sexualität profitieren schließlich so unterschiedliche Berufsgruppen wie Sexarbeiterinnen und Leihmütter, Zuhälter und Designer, Journalisten und plastische Chirurgen, Werbeleute und Anwälte. Kommt es nicht auch darauf an, wer in welcher Weise von dieser Vermarktung profitiert, das heißt, wie die primären und sekundären Gewinne aussehen und verteilt sind? So gesehen ist es kein kleiner Unterschied, ob eine Sexarbeiterin sich mit dem Einsatz ihrer erotischen Kompetenzen ein gutes Leben finanziert oder ob Kosmetik-und Modeimperien, Medien, Friseure, Sportstudios, Beauty-Farmen, Diätmittelhersteller, die Zunft der plastischen Chirurgen und kosmetisch-ästhetischen Dermatologen etc. eine weibliche
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