Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
Einelternfamilien lassen statische Paritätsfor-derungen anachronistisch erscheinen. Eine gerechtere Aufteilung privater Verpflichtungen ändert auch nichts an den Benachteiligungen, die Frauen auf dem Arbeitsmarkt erleben. Männer besetzen die Top-Positionen in Wirtschaft und Politik, sie sind es, die über das Kapital verfügen, entscheiden und abkassieren: und zwar nic ht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern zusätzlich durch Kriege, Finanzspekulationen, Schmuggel, Drogen-und Menschenhandel. Solange Besitztümer und Zugang zu den Ressourcen des Marktes zwischen den Geschlechtern ungleich verteilt sind, können es sich Frauen in ihrem eigenen Interesse nicht leisten, die ökonomische Dimension ihrer beruflichen und privaten Entscheidungen zu ignorieren. Anstatt sich durch gesellschaftliche Normen und Rollenklischees in traditionelle Lebensentwürfe und weibliche Segmente des Arbeitsmarktes pressen zu lassen, könnten alte Fragen neu gestellt werden: Welches sind die primären und sekundären Gewinne und Verluste, wenn ich meine Sexualität direkt zu Markte trage oder innerhalb einer Beziehung monopolisiere? Wo werden mehr Energien verpulvert: in einer durch monogame Sexualität geadelten Beziehung oder mit Kunden in der Sexarbeit? Wie schwer wiegt die Last eines möglichen Doppellebens gegen die möglichen finanziellen Mehreinnahmen durch die Sexarbeit? Wie bei jeder privaten oder beruflichen Entscheidung lassen sich die persönlichen Kosten-Nutzen-Rechnungen nicht mittels irgendwelcher Patentrezepte auf einen gemeinsamen Nenner bringen.
Aber sie lassen sich auch nicht auf die Formel »Geld oder Liebe«
reduzieren.
Mehr Lebenszufriedenheit durch Sexarbeit: Laura Ich muß ganz ehrlich sagen, daß mein Eintritt in die Welt der unabhängigen Sexarbeit meine Lebenszufriedenheit erheblich gesteigert hat. Es fängt damit an, daß die Männer, die ich als Kunden kennenlerne, oft interessanter, großzügiger und höflicher sind als viele, die mir vorher auf der freien Wildbahn über den Weg liefen. Da ich mit dem Alleinleben gut klarkomme, leide ich auch nicht darunter, daß sie aus meinem Leben wieder verschwinden oder ich nur alle paar Monate von ihnen höre. Das Geld, das ich durch die Sexarbeit verdiene, gibt mir ein Gefühl der Sicherheit und erlaubt mir den Luxus des Reisens. Sie hat mir auch dabei geholfen, mit meinem Alter besser klarzukommen-. In der Sexarbeit ist man mit vierzig einerseits noch nicht zu alt für Kunden in und nach der Lebensmitte und andererseits noch attraktiv für jüngere Männer, die eine erfahrene Frau manchmal interessanter finden als eine gleichaltrige. Das amüsiert mich ohne Ende und hebt meine Stimmung beträchtlich, vor allem wenn ich bedenke, mit welcher Regelmäßigkeit mir seit meinem 30. Lebensjahr vermittelt wurde, daß es langsam Zeit wird, sich endlich einen Lebenspartner zu suchen... Wenn ich mir mein jetziges Leben ansehe, will ich, ehrlich gesagt, gar keinen Lebenspartner mehr. Ich habe definitiv mehr Spaß und weniger Kummer als zu Zeiten meiner Privatbeziehungen.
Klischee Nr. 58:
Die Sexarbeit hat keinen makroökonomischen
Wert.
Auch eine makroökonomische Gewinn-und Verlustrechnung fällt eindeutig zugunsten der Sexarbeit aus. Die Triebentlastung eines Prostitutionskunden zieht ihre harmonisierenden Kreise bis in sein privates und berufliches Umfeld. Arbeitgeber, Kollegen, Partnerin und Familie profitieren von seiner Zufriedenheit, letztere manchmal auch von seinen Schuldgefühlen. Über das Prinzip des »Male Bonding«
steigern gemeinsame Bordellbesuche die Produktivität und die Umsätze von Unternehmen. Der Staat profitiert gleich mehrfach: Einmal spart er soziale Folgekosten durch Scheidungen, da Ehen bei dieser Form der Sexualität selten in Frage gestellt werden. Zum anderen spart er Sozialhilfe. Nicht zuletzt haben makroökonomische Überlegungen in diese Richtung sogar im bürgerlichen Lager zu einer Neubewertung der Sexarbeit geführt. So begrüßte der Deutsche Städtetag die Verbesserung der Situation anschaffender Frauen mit dem Argument: »Nicht zuletzt führte die fehlende finanzielle Absicherung der Prostituierten in vielen Fällen zu einer erheblichen Belastung der Sozialhaushalte in den Städten und Gemeinden.«184 Und natürlich profitiert er über zusätzliche Steuereinnahmen. Der Prostitutionsforscher Vern Bullough, kein ausgesprochener Freund staatlicher Prostitutionsregulierung, meinte bereits Ende der achtziger Jahre:
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