Lass es bloss nicht Liebe sein
und dachte nach. Selbst wenn er aus der Geschichte aussteigen würde, war da noch die Sache mit Robbie. Wo er auch stecken mochte und was immer er getan hatte, sie hing an dem Typen. Sie nannte Robbie » ihren Partner« und nagelte ihn, William, darauf fest, wieso er ihn noch nicht ausfindig gemacht hatte. Sie würde ihn bestimmt dafür verantwortlich machen, wenn man ihren bescheuerten Partner mit aufgeschlitzter Kehle fände. Nach der romantischen Eskapade im Lagerraum war sie sauer auf ihn, und wenn Robbie etwas passieren würde, wäre sie stocksauer. Und dann hätte er erst recht keine Chance mehr bei ihr.
Er senkte den Zeichenblock und beobachtete die Möwen, die mit den Tauben stritten. Demnach hatte es für ihn absolute Priorität, Robbie zu finden– und das verdammte Buch natürlich auch. Dafür musste er sich aber erst einmal Klarheit darüber verschaffen, warum der Mann alles hingeworfen und Lily verlassen hatte.
Sechs gemeinsame Jahre– und dann ging er ohne ein Wort? Sie war bezaubernd, eine hinreißende Frau, da musste doch irgendwas gewesen sein, was Robbie dazu bewogen hatte, alles hinzuschmeißen, oder? William ging davon aus, dass Lily keine Ahnung hatte, wo Robbie war. Und ihm war noch etwas aufgefallen, was er vermisste…
Otto sprang aus seinem Korb und setzte freudig schwanzwedelnd zur Tür, dass sein ganzer Körper mitwackelte. Lily, die Bücher abstaubte, drehte sich halb um, schoss William einen vernichtenden Blick zu und widmete sich wieder ihrer Dickens-Ausgabe. Er klopfte erneut und wartete, vergrub die Hände in den Hosentaschen, wippte ungeduldig mit den Füßen auf und ab. Es sah nicht so aus, als würde er wieder gehen, dachte sie. Sie legte das Staubtuch beiseite und wischte sich die Hände an der Jeans ab. Okay, sie würde ihn reinlassen, aber bloß, um ihm die Meinung zu geigen, dass er sich bei ihr nie wieder blicken zu lassen bräuchte. Und wenn doch, würde sie rigoros die Polizei einschalten.
Sie pfiff Otto in seinen Korb zurück– was bildete der blöde Köter sich eigentlich ein?– und schloss die Tür auf.
» Was willst du?«
Er sah heute Morgen umwerfend aus. Jammerschade, denn am liebsten hätte sie ihm ein Messer in den Solarplexus gerammt. Er merkte, wie geladen sie war, und zögerte. Aber mal ehrlich, was erwartete er denn? Dass sie sich freute, ihn zu sehen, und ihm– juhhuu – alles verzieh? Sie trat beiseite und hielt ihm die Tür auf, ließ diese jedoch offen stehen, damit er sich schleunigst wieder verkrümelte. Zumal sie bestimmt nicht vorhatte, dieses Gespräch unnötig in die Länge zu ziehen.
» Ich brauchte ein bisschen Zeit zum Nachdenken, Lily, über dich und mich. Über das, was zwischen uns gewesen ist.«
Über das, was gewesen ist? Was war denn groß passiert? Sie hatte sich schwer bemüht zu verdrängen, was zwischen ihnen gelaufen war.
» Es gibt kein uns. Es gibt Robbie und mich. Und es gibt dich. Und eine Vollidiotin, nämlich mich, die etwas gemacht hat, was sie zutiefst bedauert, aber es gibt kein du und ich.«
» Lily, bitte, du darfst nicht sauer auf mich sein.« Er schloss die Tür. » Lass uns darüber reden.«
» Da gibt es nichts zu reden, William. Es sei denn, du kannst mir irgendwas Nennenswertes sagen, was mit Robbie ist. Das zwischen uns war eine einmalige Sache. Eine unkontrollierte Impulshandlung, die sich aus der Situation heraus ergeben hat, weiter nichts.«
Seine Miene verhärtete sich zu einer steinernen Maske, sie schluckte und schaute betreten auf die Straße.
Wo sie Esther entdeckte, Robbies Mutter, die neugierig durch die Scheibe spähte.
» Huuhuu, Lily!« Esther winkte fröhlich. » Ich bin’s.«
William seufzte unschlüssig. Nach einem Blick zu ihm ließ Lily Esther herein.
» Ich dachte, du kommst mal vorbei und holst dir die Einladung zu Miriams Hochzeit ab?«, rief Esther, nachdem sie Lily zur Begrüßung auf beide Wangen geküsst hatte. Dann meinte sie an William gewandt: » Entschuldigen Sie, dass ich hier einfach so hereinplatze. Sie schauen sich bestimmt nach etwas Hübschem im Laden um. Dabei möchte ich Sie auch nicht weiter stören. Ich geh schon mal und mach uns einen Kaffee, okay, Lily?«
» Ich trinke einen mit«, sagte er, seine Augen auf Lilys Gesicht geheftet. » Wenn es dir nichts ausmacht.«
» Tu, was du nicht lassen kannst«, entgegnete Lily pampig und setzte leise hinzu: » Aber ich warne dich. Kein Wort, auch keine Andeutung, okay?«
» Vielleicht erfahr ich genug, wenn ich bloß
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