Lass es bloss nicht Liebe sein
restlichen Nachmittag schwiegen sie sich an.
» Möchtest du ausgehen? Irgendwo was Nettes essen?«
Sie setzte sich kerzengerade hin. » Ja.«
» Okay, zieh dich fix an, damit wir loskönnen.«
Er war eisig wie ein gefrorenes Lachsfilet. Ob er sie nicht ausstehen konnte? Vielleicht hielt er sie für eine komplette Loserin, früher drogenabhängig, mittlerweile clean und mit einem notorischen Fremdvögler liiert? Womöglich stand er mehr auf verwöhnte Fiona-Zicken mit Glitterflitter-Haarbändern und hohen Hacken, die hochtrabend über Caravaggio schwafelten.
Das kann er halten wie ein Dachdecker, bloß nicht so schief, heute Abend zieh ich jedenfalls mein Lieblingskleid an, entschied sie. Sie schlüpfte in das silbergraue Etwas, das ihre schlanke Taille unterstrich. Es war leicht durchschimmernd über den Brüsten, mit langen Flatterärmeln. Dazu Stilettos und ihre umwerfende Mähne – jede Wette, dass ihn dieses Outfit augenblicklich buchstäblich umhauen würde! Ihretwegen konnte er sich seine blöde kleine Fiona mit ihrem pseudointellektuellen Gefasel und ihren Designertretern sonst wohin schieben! Russische Leidenschaft, ha! Sie war fest entschlossen, seiner leidenschaftlichen russischen Seele ordentlich Dampf zu machen.
Sie schlüpfte in den Wohnbereich und registrierte zufrieden seine Reaktion. Ja, sie gefiel ihm, das las sie in seinem Blick.
» Ich bin fertig. Wir können gehen.«
Sie verließen die kleine Wohnung und überquerten den Fluss zum Campo dei Fiori. Als er ihre Hand fasste, zog sie diese weg.
» Können wir nicht wenigstens ein bisschen Händchen halten? Da ist doch nichts dabei, oder?« Er grinste entschuldigend.
» Du weißt anscheinend nicht, was du willst, William. Mal heiß, mal kalt. Okay, dann fass meinetwegen meine Hand, aber nur zur Sicherheit.«
» Für den Fall, dass ich dich unter einem fahrenden Bus hervorzerren muss?«
» Exakt«, versetzte sie spitz.
Da ertönte hinter ihnen die Stimme eines Mannes: » William!«
Sie drehten sich beide wie auf Knopfdruck um und sahen einen Italiener etwa im Alter von William, der mit rudernden Armen auf sie zugelaufen kam. Er umarmte Lilys Begleiter und küsste ihn auf beide Wangen. Der schlanke, elegant gekleidete Mann war offenbar ein guter Bekannter von William, denn sie lachten und plauderten in fließendem Italienisch. » Alessandro Leonelli, Lily Trevennen«, stellte William sie einander vor, woraufhin Alessandro sie unbedingt mit seiner Frau Francesca bekannt machen musste, eine topmodisch aufgestylte Beauty, die mit zehn, zwölf anderen Leuten draußen an einem Tisch saß.
Einige aus der Gruppe schienen William zu kennen, sie sprangen auf und begrüßten ihn, küssten ihn auf beide Wangen und schüttelten ihm herzlich die Hand. Lily stand wie bestellt und nicht abgeholt, sie kannte keinen und fühlte sich unter den taxierenden Blicken der Männer und dem neugierigen Gaffen ihrer Begleiterinnen erkennbar unwohl. Francesca sprang impulsiv auf, küsste Lily auf beide Wangen und brach das Eis.
» Wisst ihr was, ihr esst mit uns, ja?«
Lily warf William einen forschenden Blick zu. Woraufhin er sie fragte, ob es ihr etwas ausmache. Bescheuerte Frage. Sollte sie laut herausposaunen: Ja, es macht mir etwas aus? Wo alle sie anstierten? Außerdem hielt Francesca weiterhin ihre Hand fest. Eigentlich sahen die Leute ja ganz sympathisch aus, sie waren bester Stimmung und genossen den lauen Abend, tranken Wein und lachten. Ein Essen in dieser entspannten Atmosphäre war bestimmt eine willkommene Abwechslung zu den ermüdenden Diskussionen zwischen William und ihr.
Lily bekam mit, dass William und Alessandro sich von der Londoner Uni her kannten und sich öfter trafen, wenn William für Weston’s in Rom war. Ihr war indes nicht ganz klar, was Alessandro beruflich machte, jedenfalls irgendwas mit Kunstauktionen, wo jede Menge Geld im Spiel war. Der Ober rückte noch zwei Stühle an den Tisch und legte zwei weitere Gedecke auf, goss ihnen Wein ein. Lily sah sich heimlich staunend auf der Piazza um, die voller Menschen und voller Leben war. Heiliger Bimbam! Und sie hatte allen Ernstes geglaubt, ein Hähnchencurry und Kommissar Rex wären der Höhepunkt eines erfüllten Nachtlebens!
Francesca neigte sich zu ihr. » Kennen Sie William schon länger?«, erkundigte sie sich neugierig.
» Ungefähr einen Monat.«
» Ist er Ihr Lover?«, fragte sie weiter.
Lily, verblüfft über die unverblümte Frage, stammelte: » Nein. Bloß ein Bekannter.
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