Lass es bloss nicht Liebe sein
lange kein verknöcherter Junggeselle, aber womöglich sah man das in Italien anders.
Es war befreiend, sich mal von Frau zu Frau austauschen zu können und sich einer sympathischen und zweifellos sehr engagierten Verbündeten anzuvertrauen. Vielleicht klappte es ja doch noch mit William und ihr.
Sie spähte zu den beiden Männern, die ihre Unterhaltung wieder aufgenommen hatten. Sie bezweifelte, dass William gerade beteuerte: » Ich liebe sie so sehr, aber ich habe Angst davor, verletzt zu werden.« Und dass Alessandro darauf erwiderte: » Du musst deine Gefühle ausleben, amico mio. Es ist okay zu weinen. Hier hast du ein Päckchen Papiertaschentücher .«
» Sie müssen uns unbedingt an den Osterfeiertagen besuchen kommen«, verkündete Francesca. » Wissen Sie was, kommen Sie mit William doch einfach am Karfreitag zum Mittagessen zu uns. Ausgezeichneter Fisch, guter Wein, ein Spaziergang im Park, na, wie klingt das? Sie werden sich bestimmt wohlfühlen.«
» Wovon redet ihr gerade?«, schaltete Alessandro sich ein.
» Äh… wir wollen mal zusammen shoppen gehen«, schwindelte Francesca ohne ein Wimpernzucken. » Ich möchte Lily ein paar von den angesagten Boutiquen zeigen.«
Lily schluckte. Francesca sah aus, als würde sie in Boutiquen shoppen, wo Lily sich nicht mal eine einzelne Socke hätte leisten können. Sie redete in stakkatohaftem Italienisch auf Alessandro ein, dann schwenkte sie herum und lächelte triumphierend.
Würde er die Einladung zum Mittagessen bei den Leonellis annehmen?, überlegte sie. Karfreitag war in ein paar Tagen, und sie hatte keine Ahnung von Williams Plänen, weil er sie anscheinend ganz gern im Dunkeln tappen ließ. Ein Tag mit diesen netten, aufgeschlossenen Leuten reizte sie. Francesca war lustig, und Williams Gesellschaft– oder was er darunter verstand– konnte sie notfalls auch verknusen. Er hielt sich wie üblich bedeckt und redete sich damit heraus, dass er die Leonellis rechtzeitig genug informieren werde.
Der Rest des Essens– Dessert, Kaffee und Digestif– wurde mit belanglosen Gesprächen bestritten. Lilys Laune sank auf den Tiefpunkt. William hatte sie den ganzen Abend über nicht beachtet, stattdessen klebte sein Blick magnetisch an Giannas korallenrot schimmernden Lippen. Zweifellos würde er die Einladung absagen, mit Francesca als Strippenzieherin. Lily rechnete mit dem Schlimmsten: Sie würde bestimmt wie üblich in dem Apartment in Trastevere herumhängen und sich geistlose italienische Gameshows im Fernsehen reinziehen, während er die Straßen unsicher machte und Detektiv spielte.
Man trennte sich mit Küsschen, Umarmungen und dem Versprechen, sich bald wieder zu treffen. Lily und William schlenderten durch das Gewirr von Straßen, auf dem Weg zum Fluss.
» Was macht Alessandro beruflich?«, wollte sie wissen.
» Ihm gehört Leonelli’s. Hat er geerbt. Ein renommiertes Kunstauktionshaus, übrigens das größte in Rom.«
Das erklärte Francescas nobles Outfit. Lily hätte sich glatt mit einer Vintageversion von Francescas Designer-Hosenanzug zufriedengegeben. Aber da musste sie wahrscheinlich warten, bis sie siebzig war, um die Finger an so ein Teil zu bekommen.
» Für gewöhnlich ruf ich Alessandro vorher an, wenn ich nach Rom komme. Hab ich dieses Mal aber nicht.« William entdeckte ein paar Drogenabhängige, die mit ihren ausgemergelten Hunden an dem Brückengeländer kauerten, und fasste automatisch ihre Hand.
» Und warum nicht?«, bohrte Lily.
Er zuckte mit den Schultern. » Ich dachte, ich komm eh nicht dazu, mich mit ihnen zu treffen.«
» Lügner.«
Er musterte sie baff erstaunt. » Wie kommst du denn darauf?«
» Gib’s zu, du wolltest nicht, dass sie uns zusammen sehen und falsche Schlüsse ziehen.«
» Okay, ich gebe zu, dass Francesca gern Leute verkuppelt und unter die Haube bringt. Sie stellt mich dauernd irgendwelchen Frauen vor, in der Hoffnung, dass ich endlich anbeiße. Ihre Zwillinge bedaure ich schon jetzt. Die können sich warm anziehen, wenn sie im heiratsfähigen Alter sind.«
Sie versagte sich eine Antwort, überwältigt von Melancholie. Ihre Gedanken schweiften ab. Sie erinnerte sich an die Ostertage im vorigen Jahr. Sie und Robbie hatten ein Haus in den Blue Mountains gemietet. Sebastian und Richard, Robbies alte Schulfreunde, waren mit ihren Freundinnen nachgekommen. Sie hatten im Wohnzimmer Ostereier gesucht und zu viel getrunken. Robbie hatte einen von Marcels Confiserie-Kollegen gebeten, ein
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