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Lass Es Gut Sein

Titel: Lass Es Gut Sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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darauf, wie diese in die Realität überführt werden könnte. Mit der Absage an die Demokratie verleihen die Befragten einem grundsätzlichen Unbehagen über die gegenwärtigen Gesellschaftsverhältnisse Ausdruck. Konkret meinen sie:
|81| »Dieses System löst unsere Probleme nicht, sondern verschärft sie noch.«
»Die Parteien denken nur an sich, sind verfilzt, unfähig und vertreten uns Bürger nicht.«
»Weil durch Wahlen nichts gelöst wurde, gehen wir nicht zur Wahl. Vielleicht können wir die Politiker durch Nichtbeachtung (oder Verachtung) wenigstens irgendwie ärgern.«
»Bei der Wahl haben wir sowieso keine Alternativen. Die Politiker sind ja doch alle gleich.«
»Uns geht es schlecht. Die Politiker lassen sich’s aber gut gehen, erhöhen sich selber ihre Diäten.«
    Regelmäßige attestieren Politiker und westlich sozialisierte Professoren Ostdeutschen aufgrund solcher Befragungen generell mangelnde Freiheits- und Demokratiefähigkeit. Dabei ignorieren sie:
    1. Nicht die Demokratie wird grundsätzlich abgelehnt, sondern der politische und ökonomische Rahmen, der Reiche immer reicher und Ärmere immer ärmer werden lässt. Die Menschen weigern sich, dies zu den Selbstverständlichkeiten des demokratischen Systems zu zählen.
    2. Es waren doch die Politiker, die den Menschen 1990 versprochen hatten, es würde vielen besser und keinem schlechter gehen. Nach dem ökonomischen und politischen Zusammenbruch und einem gewaltig-gewaltlosen demokratischen Aufbruch fand sich die große Mehrheit der DDR-Deutschen aber alsbald auf der Verliererseite. Sie mussten Platz nehmen auf der Nachsitzer-, Bittsteller-, Anklage- oder Rechtfertigungsbank. Das nährte immense Enttäuschung und Misstrauen gegenüber Politikern in der Demokratie. Und viele fingen an, die Vorteile des Lebens hinter der Mauer mit den Belastungen des Lebens in der Freiheit zu verrechnen.
    Demokratie ist besonders gefährdet, wenn die Menschen keine genaue Erinnerung an autoritäre und diktatorische Systeme mehr haben. Den Ostdeutschen, die sich über die Demokratie beklagen, rufe ich deshalb zu: »Vergesst nie, was wir hinter uns haben, und packt an, was vor uns liegt.« Zur Wahl gehen – das ist |82| der kleinste Beitrag zur Partizipation, den wir aus der Mitverantwortung für unser Land heraus zu leisten haben.
    Zu viele Menschen in diesem reichen Land haben kaum mehr die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten einzubringen bzw. wenige Kompetenzen zur Selbstentfaltung entwickelt. Sie haben zwar die bürgerliche Freiheit zu sagen, was sie denken, sich mit anderen zu versammeln, um Interessen gemeinsam zu vertreten; sie können reisen, wohin sie wollen, wenn sie das Geld dazu haben. Aber sie fangen an, gar die Freiheit als hohen Wert infrage zu stellen, wenn Freiheit nicht mehr mit Gerechtigkeit gepaart ist. Es geht darum, möglichst vielen, die für das Funktionieren der Wirtschaft nicht gebraucht werden, ein Selbstwertgefühl zu vermitteln und ihnen Chancen zur Teilhabe am sozialen Leben zu eröffnen.
    Wie können wir in unserem demokratischen System sozialen Ausgleich zusammen mit nachhaltigem wirtschaftlichem Aufschwung befördern? Die Antwort auf diese Frage müssen wir als Deutsche
gemeinsam
suchen. Es wäre für unser Zusammenleben kontraproduktiv, wenn im Osten weiter West-Enttäuschung, im Westen Ost-Wut geschürt würde. Wo vorgestrige Konflikte wieder aufleben oder erneut angeheizt werden: Lasst es gut sein und tut etwas, damit es besser wird!

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    |83| Zusammenleben gelingt durch SOLIDARITÄT
    Das glücklichste Volk der Welt
    Wer erinnert sich noch daran, dass es im März 1989 in Koblenz Übungen in Atombunkern unter Leitung des Kanzleramtsministers Spangenberg gegeben hatte und dass die Amerikaner in Szenarien des Dritten Weltkrieges den Abwurf einer Atombombe auf »Ground Zero« im nordhessischen Hattenbach durchgespielt hatten?! Die Panzerwalze und die MIG-Jäger, die riesigen Militärareale um jede Stadt der DDR und die vielen großen Sperrgebiete – alles schon vergessen? Erstschlags-Strategien auf beiden Seiten – »den Feind auf seinem Territorium vernichtend schlagen«, wie Honecker großspurig verkündet hatte. Noch in den 80er Jahren standen sich in Deutschland hunderttausende Soldaten im Zeichen des Kalten Krieges gegenüber. Dann sind wir Deutschen in besonderer Weise die Nutznießer einer konsequenten, geduldigen, mutigen Entspannungspolitik geworden, die uns unter den Überschriften »Wandel durch Annäherung« und

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