Lass Es Gut Sein
endgültig rauskaufen, weil dem Gericht der Sachverhalt kaum klärbar erschien. Sie gelten nun nicht als vorbestraft. Aber sie könnten den Schlusschor von Brechts »Mahagonny« übernehmen: »Für Geld gibt’s alles/und ohne Geld nichts/drum ist es das Geld nur/woran man sich halten kann.«
Unvergesslich bleibt, wie der Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann sich vor dem Prozessbeginn in Siegerpose hatte ablichten lassen und dann spöttisch verkündete: »Da muss Deutschland durch. Deutschland ist das einzige Land, wo die, die Werte schaffen und erfolgreich sind, vor Gericht stehen.« Herr Ackermann bekommt für seine besondere Leistung zwischen 8 und 10 Millionen Euro Jahresgehalt und kann sich wohl kaum vorstellen, dass es andere gibt, die auch »Werte schaffen«, kompetent und fleißig sind, aber weniger als ein Zweihundertstel dessen verdienen, was er bekommt. Ackermann kann locker 3,2 Millionen € berappen, auf die sich Verteidiger und Staatsanwaltschaft im Mannesmann-Prozess einigten. Die Sache ist erledigt. Auch für Klaus Esser, der 1,5 Millionen zahlt, und vier weitere Beschuldigte. Sie haben doch nur für die Aktionäre das Beste getan. Staatsanwaltschaft und Richter erklärten nach dem »Vergleich«: »Das ist kein Handel mit der Gerechtigkeit«. Die Einstellung des Prozesses werde »allen Interessen weitestgehend gerecht«.
Mut machte hingegen, als im Juli 2004 gerade einer aus dem |75| Kreis der Bankiers versuchte, so altmodisch scheinende Begriffe wie Redlichkeit, Maß, Demut, Gemeinwohl, ja Ethos überhaupt in die Debatte der heutigen smarten Geldleute einzubringen. Der ehemalige Chef der
Westdeutschen Landesbank
Ludwig Poullain wollte bei einem Festakt eine Rede über den Sittenverfall im deutschen Bankenwesen halten. Man ließ ihn einfach nicht reden, weil der 84-Jährige die kritischen Passagen seines Vortrages nicht hatte streichen wollen. In der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung
erschien dann am 16. Juli 2004 die »Ungehaltene Rede eines ungehaltenen Mannes«. Dieser redet seinen Kollegen ins Gewissen, ganz und gar nicht aus der Position eines Selbstgerechten, sondern aus der eines »Bankiers«, der sich ein Ethos bewahrt hat, das er fundamental gefährdet sieht – durch Ignoranz und Arroganz der »Banker«, die stets karrierebesessen schweigen, lediglich auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und ohne jedes Verantwortungsgefühl handeln.
»Seit jeher«, heißt es dort, »ist es unbequem, eine eigene Meinung zu haben; noch beschwerlicher kann es werden, wenn man sie auch von sich gibt.« Selbstverständlichkeiten spricht er aus, die inzwischen vergessen sind: »Die Soziale Marktwirtschaft ist nicht nur der Generator unserer Gesellschaftsordnung, sie ist auch ihr moralisches Korsett. … Nicht die mit ihr Unzufriedenen – weil sie zu wenig Soziales abwirft – noch die sie kritisierenden Werteverbesserer können sie gefährden; dies vermögen allein die in ihrem Zentrum Agierenden, wenn sie nicht endlich die Balance zwischen ihrem Eigennutz und der Verantwortung, die sie für unser Land tragen, finden. Darum, ihr Bankleute, wartet nicht, bis die Tide kippt und sie euch zu neuen Ufern trägt. Schwimmt schon jetzt los, gegen den Strom dieser Zeit. Erforscht euch einmal selbst, wischt euch den Puder von der Backe, achtet weniger auf euer Image als vielmehr auf das Standing – das eurer Bank ebenso wie das persönliche. Sagt, was ihr denkt, tut, was ihr sagt. Öffnet eure Gesichter.«
Seinen Kollegen ins Gesicht sagen, was man denkt! Darauf vertrauen, dass die Angesprochenen zuhören und sich ändern |76| können. Das ist jener so nötige Mut, in der eigenen Gruppe Widerspruch zu wagen, das ist es, was Ingeborg Bachmann als »Tapferkeit vor dem Freund« bezeichnete. Durch ein solches Verhalten nimmt man freilich das Risiko erheblicher selbstverantworteter Nachteile bzw. existenziell bedrohlicher Sanktionen auf sich. Allzu oft wird man einsam, wenn man sich gegen die Freunde stellt. Aber ein Mensch mit Zivilcourage begegnet auch Hochachtung und erfährt – meist späte – Anerkennung. Vor sich selbst bestehen, sich im Spiegel sehen können und aufrecht gehen, tut auch gut und stärkt das Selbstwertgefühl. Man spürt sein Selbstvertrauen ohne Selbstüberhebung wachsen!
Starke neigen zu Skrupellosigkeit, während Sensible häufig mit Skrupeln kämpfen. Die Unbeachteten, die Stillen, Zurückhaltenden wachsen in entscheidenden Momenten oft über sich hinaus. Manchmal sind es gerade die
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