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Lass Es Gut Sein

Titel: Lass Es Gut Sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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vermeintlich Ängstlichen, die dort großen Mut haben, wo jene, die stark erscheinen, einfach nur feige sind. Zumal Frauen haben oft einen besonderen »Mut des Herzens« gezeigt. Man denke an die Witwen der Männer des 20. Juli, an Hildegard Hamm-Bücher oder Regine Hildebrandt.
    Wo das Zusammenleben von Menschen gedeihlich bleiben soll, braucht es immer wieder Menschen mit Zivilcourage, die sich einsetzen: für die gefährdeten Güter der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit, des Schutzes der Schwachen, die Minderheiten oder die Fremden. Wenn in einer Runde über einen Abwesenden hergezogen oder übel geredet wird – nicht schweigen, wo einer gemobbt wird, ihm zur Seite stehen, bevor man selbst betroffen ist. In einer Partei nicht nur den Gegner kritisieren, sondern auch seinen Freunden gegenüber offen und kritikfähig sein. (Ich erinnere an Günter Gaus, Wolfgang Ullmann, Gräfin Dönhoff und deren Lebenswege und couragierte Einmischungen in Konfliktlagen.)
    So, wie es ansteckende Angst gibt, so kann auch Mut anstecken: ganz alltäglich wahrhaftig und solidarisch zu sein – mit einem Wort: ein Mensch zu sein, auf den man sich verlassen kann, in guten Tagen, in schweren Tagen, auf höheren Ebenen, auf alltäglichen Ebenen. Mut tut gut. Und Mut macht Mut.
    |77| Zivilcourage ist nichts Außer-Ordentliches; sie ist jedermann abverlangt – gegen die in jedem von uns schlummernde Feigheit. Zivilcourage ist positive Ethik. Es reicht nicht, gemäß dem Strafgesetzbuch untadelig zu leben, man muss sich aus eigener Initiative fragen, was zu tun ist und sodann aus eigenem Entschluss handeln. Man muss wissen, was es heißt, ein Mensch zu sein: ein Mitmensch zu sein. Nicht die Kraft zum Außergewöhnlichen, die Kraft zum Gewöhnlichen fehlt uns meistens. Dabei macht nichts so müde wie das, was wir nicht tun.
Homo homini lupus
?
Homo homini homo
! Der Mensch sei den Menschen ein Mensch, nicht ein Wolf. Wir Menschen brauchen einander. Heute ich dich und morgen du mich. Ein Mensch mit Zivilcourage ist ein Mensch mit aufrechtem Gang. Das ist manchmal schmerzhaft, aber es ist einfach wunderbar, wenn man vor sich und vor anderen bestehen kann. Volker Braun schrieb vor über 20 Jahren:
     
    Aber in dieser Zeit
     
    begann ein
    neues, härteres
    Training
    des schmerzhaften
    und
    wunderbaren
    aufrechten Gangs.
     
    Demokratie wagen heißt, höhere Ansprüche an sich selbst und an andere zu stellen und darin das Glück der Freiheit wie das Glück wahrgenommener Mit- und Selbst-Verantwortung zu finden. Für seine Meinung mutig auf- und einzustehen, das ist gelebte Demokratie. Sie erlaubt und erwartet von uns, dass wir uns äußern und beteiligen. Nicht erst erneute Unfreiheit sollte den Geschmack an der Demokratie wecken. Wir haben die Wahl. Gerade noch.
    |78| Schnauze voll! Wahlverweigerung in der Demokratie
    Bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern fiel die Wahlbeteiligung von 71 Prozent (bei den Wahlen 2002) auf 59 Prozent im September 2006. In meinem Heimatland Sachsen-Anhalt blieben im März 2006 sogar 56 Prozent der Bürgerinnen und Bürger zu Hause, als Landtagswahlen anstanden. Im Jahre 2002 waren wenigstens noch 56 Prozent hingegangen. Da Demokratie aber von Beteiligung lebt, steht unser politisches System durch den Wählerschwund auf dem Prüfstand! Mehrheiten allein sind nie ein ausreichendes Kriterium, aber aus der Mehrheit der »Abstinenzler« ließe sich etwas formen, was für unsere Demokratie zu einer Existenzfrage werden kann.
    Mit Stolz berichten viele, sie seien als Strafe für die Politiker nicht zur Wahl gegangen, und glauben, das sei Mut, als ob man noch in der DDR lebe, wo es tatsächlich eines gewissen Mutes bedurft hatte, kein gefügsamer Zettelfalter zu werden. Wer Wegbleiben als Stimme wertet, die andere gefälligst zu hören hätten, und Stummbleiben zum Widerstand hochstilisiert, irrt sich gewaltig.
    Seinerzeit enthielt sich nur eine verschwindende Minderheit der Stimme: 1,18 Prozent – jetzt sind es 56 Prozent! Anscheinend hat die Hälfte der Menschen »keinen Bock« mehr auf Politik, die nicht mehr viel bestellen könne. Natürlich fragt die globalisierte ökonomische Macht nicht danach, wie viele Arbeitsplätze noch verlorengehen, wenn es um Weltmarktanteile und Aktienkurse geht, aber sie schlägt lokal zu Buche.
    Sachsen-Anhalt muss seit 1990 mit der Bürde eines dramatischen Strukturwandels leben. Ein Drittel der Bevölkerung ist arbeitslos, perspektivlos, fühlt sich zu nichts nütze. Der

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