Lass Es Gut Sein
Tod verdrängende Welt an unser aller Hinfälligkeit und Todesqual?
Öffentlich zur Schau gestellt wurde das unbewegt-lachende Gesicht der Terri Schiavo. Millionenfach wurde es verbreitet zu einer Zeit, da der Tod weithin tabuisiert und vielmehr ein Fitnesskult zelebriert wird.
Welche Gewissensqualen macht jemand durch, der abwägen soll, ob die Lebensfunktionen eines geliebten Menschen weiter durch Apparate aufrechterhalten werden oder »ob dem Betroffenen zuliebe lieber abgeschaltet« werden soll. Nachdem die 15 Jahre künstlich ernährte, im Wachkoma liegende Frau buchstäblich verdurstete, waren Menschen weltweit einem Wechselbad der Mit-Gefühle ausgesetzt. Ich konnte mich in die Position des Ehemanns von Terri Schiavo genauso einfühlen wie in die ihrer Eltern.
Allerdings will mir überhaupt nicht in den Sinn, dass ausgerechnet fundamentalistisch orientierte Christen ein so wenig |214| gelassenes Verhältnis zum Tode zeigen. Konnte das
Sterben -Las sen
in dieser Situation für Terri und für ihre Lieben nicht auch eine Gnade sein? Ist es denn nicht wahr, dass die
Liebe
nimmer aufhört (1. Korinther 13)?
Der Tod ist ein großes Geheimnis, das Leben ein anderes. Klug sein heißt, sein Leben nicht als selbstverständlich und jeden Tag als ein Geschenk zu nehmen. Mitten im Leben wissen, dass es endlich ist, dass wir Vorübergehende sind. Unser Leben fährt dahin, »wie ein Strom, wie ein Gras, das am Morgen noch sprosst, das am Morgen blüht und sprosst und des Abends welkt und verdorrt« (Psalm 90,5–6).
Wer wirklich glaubt, kann mit Hiob getröstet sagen: »Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, gepriesen sei der Name des Herrn.« (Hiob 1,21) Wer Gott vertraut, stirbt doch nicht ins Nichts, sondern in Gott hinein. Er weiß, dass kein Mensch tiefer fallen kann als in die Arme Gottes. Wer sich so aufgefangen weiß, muss nicht verkrampft festhalten wollen, sobald seine Lebensuhr offensichtlich abläuft. Der Apostel Paulus hat das christlich gewendet. »Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum, wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.« (Römer 14,8)
Ob wir uns an jedes Zipfelchen Leben um jeden Preis klammern wollen oder aber gelassen loslassen können, wenn unser Stündlein kommt – ganz plötzlich mit einem Gehirnschlag oder nach einem schweren Unfall oder langwährend-quälend im Fall einer unheilbaren Krankheit oder in hohem Alter –, wissen wir alle nicht im Voraus.
Das ärztliche Ethos verpflichtet dazu, Menschenleben zu erhalten, Kranke und Sterbende zu begleiten und sie zum Leben zu ermutigen. Jeder soll sich sicher sein können, dass sein Recht auf Leben nicht durch wirtschaftliche, politische oder andere Gründe infrage gestellt wird. Wie segensreich kann eine künstliche Niere sein, ohne die viele Menschen nicht mehr leben würden. Aber sind alle lebensverlängernden Maßnahmen hilfreich oder ethisch vertretbar, wenn ein Mensch dauerhaft an medizinische Geräte angeschlossen ist?
|215| Jeder medizinische Eingriff setzt die Einwilligung des Patienten voraus. Wir können und müssen also selbst bestimmen, ob und wie eine Behandlung durchgeführt wird. Diese Freiheit bedeutet eine große Bürde, besonders wenn die ärztliche Prognose vage ist oder wenn es um modernste lebensverlängernde medizinische Methoden geht, die uns ganz neue, schwerwiegende ethische Folgeentscheidungen abverlangen.
Es wäre eine Hilfe für Angehörige wie Ärzte, wenn
jeder
sich entschlösse, nicht nur seinen materiellen Nachlass zu regeln, sondern auch zu hinterlassen, was er für den Fall wünscht, dass er keine Entscheidung mehr über sein Weiterleben treffen kann. Selbst wenn eine Patientenverfügung vorliegt, wird eine Entscheidung nicht leicht sein – nicht sein dürfen! Diese muss sorgsamste Einzelfallabwägung bleiben und darf nicht weltweiter Skandalisierung und einem hemmungslosen Voyeurismus ausgeliefert werden.
Wir sind nicht Herren des Lebens, schon gar nicht Herren über Leben und Tod. Zwischen menschlicher Einmischung durch aufwendige Lebensverlängerung und der problematischen Entscheidung, künstlich erhaltenes Leben in Würde verlöschen zu lassen, bleiben Grauzonen. Es darf nicht tabuisiert werden, welche finanziellen (Verdienst-)Aspekte oder Prestigegründe für ärztliches Handeln bisweilen eine Rolle spielen. Aber Unterlassung einer intensivmedizinischen Maßnahme kann unter bestimmten Umständen – zumal, wenn sie dem Willen des Patienten
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