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Lass Es Gut Sein

Titel: Lass Es Gut Sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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entspricht – sogar eine Verpflichtung sein. Einem schwerstkranken Menschen zu erlauben, in Würde zu sterben,
kann
als eine aus Liebe kommende Entscheidung gelten. Eine aus Mitleiden mit dem Leidenden resultierende Entscheidung ist nicht zu verwechseln mit aktiver Sterbehilfe.
    Eine Schweizer Organisation verspricht einen »völlig schmerzlosen und ruhigen Übergang in den Tod«. Doch es häufen sich Berichte über furchtbare Todeskämpfe von Kranken, die das angebotene Gift eingenommen hatten. In unserem Nachbarland kann dieses Gift jeder Arzt verschreiben; der Lebensmüde muss es sich selbst nur »eigenhändig« zuführen.
    |216| In Deutschland ist aktive Sterbehilfe verboten. Wäre dieses Verbot erst einmal aufgehoben, müssten wir berechtigte Angst haben, dass andere künftig über unser Leben nach Gutdünken verfügen. Wegen der Euthanasiepraktiken im Nationalsozialismus oder wegen anderweitigen Missbrauchs kann unsere Gesellschaft jedoch nicht darauf verzichten, auch über ein würdiges Sterbenkönnen nachzudenken und gesetzliche Regelungen zu schaffen, die dem nicht zuwiderlaufen.
    Am 22. Dezember 2006 meldete dpa, dass der Sterbehilfebefürworter Piergiorgio Welby gestorben sei: »Selten hat ein ganzes Land das Drama eines einzelnen Menschen so hautnah miterlebt. Nun ist der unheilbar kranke Italiener Piergiorgio Welby, der monatelang um sein Recht auf Sterbehilfe gekämpft hatte, in der Nacht zum Donnerstag gestorben. Ein Arzt habe das Beatmungsgerät Welbys abgestellt, hieß es. Welby litt seit mehr als 40 Jahren an Muskelschwund und wurde seit fast zehn Jahren nur noch mit Hilfe künstlicher Beamtung am Leben erhalten. Zuletzt war der 60-Jährige gelähmt und konnte nur noch mit den Augen kommunizieren. Er selbst bezeichnete sich als ›einen Gefangenen des eigenen Körpers‹ und bat um die ›Gnade der Sterbehilfe‹.« Welby hatte zuvor vor Gericht beantragt, die Beatmungsgeräte abzustellen. Das Gericht hatte das abgelehnt.
    Der Präsident der Bundesärztekammer Jörg-Dietrich Hoppe erklärte zum Fall Welby: »Jeder Patient müsse sich stets sicher sein, dass Ärzte für die Erhaltung seines Lebens einträten und nicht auf Grund wirtschaftlicher, politischer oder anderer Gründe das Recht auf Leben infrage stellten. Aber: ›Patienten müssen aber auch darauf vertrauen können, dass ihr Selbstbestimmungsrecht respektiert wird‹. Die ärztliche Verpflichtung zur Lebenserhaltung habe dort ihre Grenze, wo der Patient unzweifelhaft zum Ausdruck bringe, dass er eine lebensverlängernde, häufig auch nur leidensverlängernde Behandlung ablehne.«
    Mir scheint die sehr prinzipielle Haltung der Kirchen, selbst wohlabgewogenes Sterbenlassen abzulehnen, gerade aus seelsorgerlichen Gründen und gerade wegen der Achtung des Lebens nicht hilfreich zu sein.
    |217| Respekt vor der Entscheidungsfreiheit des Betroffenen und die schmerzvolle Abwägung der Angehörigen steht dem Respekt vor Leben und der Unantastbarkeit menschlichen Lebens nicht entgegen, solange »Würde des Lebens« und »Sterben in Würde« zusammengesehen werden.
    Keine Angst vor der Angst
    I.
    In die Welt geworfene Kreaturen sind wir. Ein lebenslang dominierendes Grundgefühl ist die Angst: Lebensangst und Sterbensangst, Versagensangst und Verlustangst. Sie begegnet, sie umgibt, sie bedrängt uns in vier Grundformen:
als Angst vor dem Nicht-Sein, vor dem völligen Selbstverlust, die eine biologische Auslöschung mit sich bringt
( ontologi
sche Angst),
als Angst vor Leere und Sinnlosigkeit allen Tuns und Strebens, als ein Selbstzweifel, der tendentiell in Melancholie oder Depression führt
( geistige
Angst),
als Angst vor Selbstverfehlung sowie als Schuld- und Versagensangst
( moralische
Angst)
als Angst vor dem Verlust aller »irdischen Sicherungen« im sozialen Umfeld
( soziale
Angst).
    Ontologische, geistige, moralische und soziale Angst umstellen jeden Menschen, der bereit und in der Lage ist, sich seines Lebens als endliches Wesen bewusst zu werden. Die »Grundformen der Angst« lassen sich auch als Angst vor der Selbsthingabe, vor der Selbstwerdung, vor der Wandlung und vor der Notwendigkeit kennzeichnen, wie dies der Psychoanalytiker Fritz Riemann getan hat.
    Zentrifugale und zentripetale Kräfte streiten unablässig miteinander: die Angst vor dem Eingeengtsein im Eigenen und die Angst vor dem Eindringen des Fremden bzw. vor dem Fremden |218| überhaupt. Ausleben und Abwehren beider Antriebe vollziehen sich in demselben Menschen!
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