Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lass Es Gut Sein

Titel: Lass Es Gut Sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
Vom Netzwerk:
kommt eine neue Art alter »apokalyptischer Ängste«, die mit atomaren oder ökologischen Welt-Vernichtungsszenarien verbunden sind – ob als »atomarer Winter« bzw. als »schmutzige Bombe« oder als neue »Sintflut«, wie sie Frank Schätzing in seinem Bestseller »Der Schwarm« beschrieben oder Al Gore in einem Dokumentarfilm gezeigt hat.
    Jede Angst kann lähmen und zum resignativen Hinnehmen der Angstursachen und -folgen führen,
oder
sie kann gerade umgekehrt sehr aktiv machen und Widerstandskräfte wachrufen. Unheilspropheten haben selten Lust am vorausgesagten Unheil. Sie wollen wachrütteln, und sie sind selber zumeist Liebhaber des Lebens.
    Die einen werden auf Angstszenarien hin hypochondrisch bis panisch, die Mehrheit aber übt sich in Beschwichtigung und Verdrängung, in Verharmlosung und Betäubung, etwa durch die Flucht ins Entertainment.
    »Denn wie soll man sonst das Leben unbekümmert genießen können?«, fragt mancher. Verleugnete Ängste werden so zur Ursache der Angst. Angst braucht den Mut, sich ihr und ihren realen und voraussehbaren Gründen zu stellen. Es braucht zu jeder Zeit den Mut, sich der Angst produktiv zu stellen, die Selbst- und Weltzweifel zuzulassen und allem Angstmachenden so aktiv wie konkret entgegenzutreten.
    Erich Fried schreibt uns ins Stammbuch:
     
    Zweifle nicht
    an dem
    der dir sagt
    er hat Angst
     
    aber hab Angst
    vor dem
    der dir sagt
    er kennt keinen Zweifel
    |219| II.
    Der Philosoph Søren Kierkegaard hat die Angst, man selber zu sein, von der Angst, nicht man selber zu sein, unterschieden. Erstere ist auch zu verstehen als die Angst vor der (erschütternden) Selbstbegegnung, letztere als Angst, hinter dem zurückzubleiben, was an positiver Kraft und besonderer Begabung in einem steckt. Verzweifelt man selbst sein wollen und verzweifelt nicht man selbst sein wollen!
    Wie lernen wir, zu uns selbst JA zu sagen und von einem Grundgefühl getragen zu sein, dass man bejaht, gewollt, geliebt ist, dass die Welt im Ganzen gut zu uns ist und es gut mit uns meint? Sich selber bejahen kann man letztlich nur als ein Bejahter. Erfahren wird diese positive Grundeinstellung zum Leben in elementarer Weise in mütterlicher und väterlicher Zuwendung, Zuneigung und Zärtlichkeit, in Ermutigung, Anforderung und Selbstanstrengung – ebenso in frühkindlichen Sozialkontakten, die Weltvertrauen und Selbstvertrauen wachsen lassen. Das geht nie ohne Konflikte ab, nicht ohne Konkurrenzen, Ablösungen und Niederlagen, nicht ohne Einsamkeits- und Verlassenheitsphasen. Auch wenn man nicht aus Gründen der Herkunft oder der eigenen Leistung, sondern
nur
aufgrund wirtschaftlicher Konstellationen oder einseitiger Gewinninteressen ausgeschlossen, ja »erübrigt« wird, fühlt man sich bald selber als zu nichts mehr nutze, traut sich nicht mehr viel zu und wird als Nichtsnutz angesehen.
    Wer länger keine Arbeit mehr hatte,
kann
oft nicht mehr arbeiten, wenn er endlich wieder eine Arbeit angeboten bekommt. Wer nie eine Ausbildung oder eine Anstellung bekam, hat nie arbeiten gelernt. Auch auf diese Weise wächst eine neue »Unterschicht« heran. Es gibt eine – nicht schuldhaft zuzurechnende – Arbeitslosigkeitsverwahrlosung.
    Dabei hat doch jede und jeder den ganz natürlichen Wunsch, in seinem Sein und in seinem Tun beachtet und geachtet zu werden. Wird dies Bedürfnis nicht befriedigt, so kommt es zu |220| besonderem Anerkennungsdrang, zu Egozentrierung und zu neurotisierten Selbstwertbestätigungsposen, die geradezu gefährlich werden, sowie sie sich mit Macht paaren.
    III.
    Angst bleibt lebenslang als eine Art Urinstinkt die treueste Lebensbegleiterin. Die Starken vermögen sie besser zu verbergen, und die Mächtigen, die so viel Angst machen, machen meist aus Angst Angst. Das Gefühl existenzieller Unsicherheit kann sich als »Angst vor der Angst« verselbständigen. Lebensangst verknäult sich mit Todesangst.
    (Un-)bewusst bleibt eine lebensbegleitende Sehnsucht nach der Geborgenheit im Uterus – und sehr unterschiedlich wird der Schock des Ausgesetztseins und der endgültigen Abnabelung verarbeitet. Für die einen ist das der Ausdruck von Freiheit schlechthin, andere haben eine lebenslange Sehnsucht nach Zurückkriechen und nach »Anbindung« – als eine der Ängste vor Selbständigkeit und Freiheit.
    Menschliche Tätigkeit – ob als Arbeit, ob als künstlerischer Selbstausdruck, ob als kriegerischer Urimpuls – ist neben der Abarbeitung destruktiver Triebüberschüsse, neben dem

Weitere Kostenlose Bücher